Atevi 1 - Fremdling
hatte ihrem Partner keinerlei Rückendeckung geboten in diesem Streit, statt dessen ihn, Bren, angefahren, er solle den Mund halten – wiederholtermaßen, das letzte Mal, vorhin, mit unmißverständlichem Nachdruck.
Daß Jago ihn geschlagen hatte, war den anderen wahrscheinlich nicht entgangen. Doch niemand hatte sich deswegen empört. Womöglich verstanden alle, warum sie dermaßen schroff mit ihm umging, mit diesem Menschen, der ihre Signale nicht zu deuten wußte.
Ihm schwirrte der Kopf. Schwindelnd verlor er das Gleichgewicht, kippte vornüber und langte in die Mähne, um nicht aus dem Sattel geworfen zu werden.
Er sah sich wieder in den Keller zurückversetzt. Die Einbildung war so lebendig, daß er Schritte zu hören glaubte. Um sich davon zu befreien, starrte er zu den wolkenverhangenen Hügeln empor, merkte auf die Regentropfen, die ihm ins Gesicht fielen und am Hals entlangsickerten.
Immerhin, Banichi lebte, und er war froh und stolz darauf, ihm geholfen zu haben, egal, was die Atevi darüber denken mochten. Sein Impuls zu retten war womöglich ebenso zwanghaft wie der Gehorsam der Atevi, der sie – wie die Mecheiti – darauf festlegte, ihren Anführern zu folgen, auf Gedeih und Verderb. Er hatte in diesem Moment vergessen, daß er, der Paidhi, Ursache dafür war, daß Atevi einander bekriegten. Wieso wurde ihm überhaupt soviel Bedeutung beigemessen? Tabini würde innerhalb einer Stunde Ersatz für ihn finden können. Es schien ihm ja ohnehin nicht viel an seinem Paidhi gelegen zu sein. Womöglich machte er sich lustig über die, die vom Gegenteil überzeugt waren und deshalb gegeneinander zu Felde zogen.
Es gab auch nichts, was er an wertvollen Informationen verraten könnte. Für den Gegner interessant waren allenfalls seine Computeraufzeichnungen. Ja, er täte gut daran, den Computer in die nächste Schlucht zu werfen oder gegen eine Felswand zu schleudern. Womöglich aber würde der Speicher intakt bleiben und sein Inhalt von Experten abrufbar sein.
Hätte er doch bloß die Daten gelöscht. Aber dazu wäre Strom nötig gewesen…
Lieber Himmel, was soll ich jetzt machen? fragte er sich. Er konnte das Ding in der Satteltasche doch nicht mit Nokhada nach Malguri zurückkehren lassen. Dort saßen jetzt bestimmt die Rebellen. Er konnte aber auch kein Aufsehen darum machen, denn dann wäre der Verdacht seiner Begleiter erregt.
Dunkel. Schritte, die kommen und gehen.
Tierköpfe an der Wand. Einsam nach all den Jahrhunderten.
Es war zwecklos, Banichi um Hilfe zu bitten. Banichi konnte nicht mehr gehen, geschweige denn kämpfen, und er ließ es sich gefallen, daß Cenedi über ihn bestimmte.
Aber Cenedi war Profi. So auch Banichi. Vielleicht zogen sie ja doch an einem Strang, in eine Richtung, die für Bren nicht auszumachen war.
Jago war ihm auf dem Hang nachgestiegen, um ihm ins Gesicht zu schlagen.
Kalt und dunkel. Schritte im Vorraum. Stimmen, die sich auf einen Drink verabredeten. Und dann Stille.
Eine Waffe am Kopf, und er dachte an Schnee, an Schnee und nichts sonst, alleingelassen. Wie Banichi.
Gib’s auf, dachte er.
Er kapierte einfach nichts. Giri war tot, einer Bombe zum Opfer gefallen. Warum ausgerechnet er? Der Bombe war’s einerlei, doch dem Feind ging es darum, ihn, den Paidhi, zu erwischen, tot oder lebendig.
Darüber war bislang kein Wort gefallen.
Er spürte die Nachwirkungen der Schläge im Gesicht; der von Cenedi und der von Jago waren als Schmerz nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Aber der Schmerz rüttelte ihn auf.
Wie ein Echo hörte er Jagos Worte, die sie gestern zum Abschied gesagt hatte, bevor er vom Boten Cenedis gerufen worden war: Ich werde Sie nie hintergehen, Nadi Bren.
Ich werde Sie nie hintergehen…
XIV
Das Gewitter verzog sich, und der Regen ließ nach, verdunstete in der Luft als kalter Nebel, so dick, daß es ihm fast den Atem verschlug. Unter aufgewühltem Himmelsgrau trabten die Mecheiti dahin, eins nach dem anderen, mit Babs in Führung, dem Flußlauf folgend durch felsige Engpässe und dichte Baumbestände, aus deren Laub unablässig Wasser auf sie herabtropfte.
Die Tiere an der Spitze hatten es aufgegeben, um ihre Position zu streiten. Insbesondere Nokhada war ungewöhnlich zurückhaltend. Vielleicht hatte Ilisidi ein Machtwort gesprochen und durch Babs an die Herde vermitteln lassen; vielleicht spürten die Tiere auch von selbst, was jetzt geboten war. Der angestammten Ordnung nach lag Nokhada an vierter Stelle. Ihr
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