Atevi 1 - Fremdling
Schritt war so gleichmäßig wie ein ruhiger Herzschlag.
Niemals hintergehen. Von wegen.
Mehr Tee? fragte Cenedi.
Und ließ ihn dann in den Keller schleppen.
Der Schädel brummte, und die Augen tränten im kalten Wind, der ihm entgegenschlug. Der Wunsch, Cenedi kopfüber gegen einen Felsen zu stoßen, war im Augenblick übermächtig. Doch Rachegelüste beantworteten Brens Fragen nicht und verhalfen ihm auch nicht zur Rückkehr nach Mospheira.
Vorläufige Zwischenetappe war irgendeine verdammte Ortschaft, wo Ilisidi Freunde wohnen hatte.
Wieder meldete sich Alarm. Freunde. Atevi kannten keine Freunde. Verpflichtet waren sie – die gewöhnlichen unter ihnen – nur ihrem Man’chi. Die Aiji-Mutter aber hatte selbst damit nichts im Sinn.
Ihr Weg kreuzte kein einziges Mal eine ausgebaute Straße; weit und breit waren keine Überlandleitungen zu sehen, nicht einmal bestellte Äcker. Und zu hören gab es nichts als das Gestampfe auf nassem Boden, knarzendes Zaumzeug und das gleichmäßige Atmen der Tiere – eine hypnotisierende Monotonie, Meile um Meile. Das Tageslicht verteilte sich auf alle Himmelsrichtungen gleich; nur am dunkelnden Grau war ersichtlich, daß es Abend wurde.
Auf einem Flachstück hielt Ilisidi an, richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht im Sattel auf und befahl den vier schwersten Männern, auf bislang unberittene Mecheiti umzusteigen.
Angesprochen waren unter anderem Cenedi und Banichi. Banichi bewies erstaunliches Geschick im Sattel, als er mit minimalem Kraftaufwand von einem Tier auf das andere überwechselte, ohne absteigen, ohne den verletzten Fuß ins Spiel bringen zu müssen.
Bren sah sich von Jago beobachtet; ihr Blick war von schneidender Kälte und ansonsten ohne jeden Ausdruck.
Der Kloß im Hals und das siedendheiße Gefühl, das ihn angesichts dieser unheimlichen Blicke Jagos überkam, waren, wie er fürchten mußte, sichere Vorboten eines drohenden Desasters.
Reiß dich am Riemen! sagte er sich. Tu deinen Job! Denk nach!
Jago blieb auf Abstand. Die Reiterreihe formierte sich wieder nach alter Ordnung, und Nokhada trug ihn weiter.
Bren schaute auf Banichi zurück, der mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern im Sattel saß, mit akuten Schmerzen, wie es schien. Der gebrochene, geschiente Fuß baumelte neben dem Steigbügel. Bren fragte sich, ob der Arzt oder Sanitäter wohl auch ein Schmerzmittel im Gepäck hatte.
Die eigenen Schmerzen erschienen harmlos im Vergleich zu Banichis Zustand, und Bren machte sich Sorgen. Banichi war wehrlos, und wenn es zum Kampf käme, würde sich keiner um ihn kümmern; im Gegenteil, es war zu fürchten, daß man ihn ein zweites Mal im Stich ließe – falls in Wigairiin der Feind auf sie wartete.
Und womöglich hatte Ilisidi über ihre wahren Absichten hinweggetäuscht. Sie konnte doch unmöglich darauf bauen, daß die Verbündeten von Wigairiin, die sich wie sie als Oppositionelle verstehen mußten, ihren vermeintlichen Kurswechsel ohne weiteres nachvollziehen würden.
Auf jeden Fall war diese Allianz äußerst fragwürdig und, wenn unter Druck geraten, kaum aufrechtzuerhalten.
Im Keller hatte man seine Aussagen auf Band mitgeschnitten – und am Ende behauptet, daß alles bloß Spiel gewesen sei, Machimi. Ohne Belang.
Aber das Band existierte wahrscheinlich noch, und womöglich steckte es in Ilisidis Gepäck, bestimmt für diejenigen, die angeblich ihre Verbündeten waren.
Ja, wenn man es nicht zerstört hatte, war das Band bestimmt bei Ilisidi.
Er zügelte Nokhada, ließ Reiter um Reiter vorbeiziehen und tat so, als habe er Probleme mit dem Steigbügel. Als dann Banichi kam, hängte er sich dran und flüsterte ihm zu: »Banichi, da ist noch dieses Tonband. Vom Verhör. Mit Fragen zur Pistole.«
Dann ließ er die Zügel schießen, und Nokhada hatte es eilig, an die Spitze zurückzukehren, so ungestüm, daß sie auf das Tier an vierter Stelle wuchtig auflief und abdrängend Streit mit ihm herausforderte.
»Verzeihung, Nadi«, sagte Bren und zerrte am Zügel. »Mein Steigbügel hat sich verheddert.«
Nach einschläferndem Trott war Nokhada wieder voller Esprit und kaum zu bändigen. Bren hatte alle Hände voll zu tun, um sie im Zaum zu halten, was seinen Kopfschmerzen und dem schmerzenden Arm beileibe nicht zugute kam.
Es dämmerte allmählich, und das gespenstische Dämmerlicht verlor sich mehr und mehr in der heranbrechenden, sternlosen Nacht. Doch in unvermindertem Tempo ging es weiter. Atevi fanden sich bei stärkster
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