Atevi 1 - Fremdling
könnten unbehelligt bis Wigairiin vorstoßen und von da aus fliegen wir weiter.«
»Womit?« fragte Banichi. »Verzeihen Sie, aber wir haben doch eben bewiesen, wie leicht ein Flugzeug abzuschießen ist.«
»Und ein schneller Jet?« sagte Cenedi.
Banichi runzelte die Stirn und dachte eine Weile nach. »Wie lange ist es her, daß die Rebellen in Maidingi eingefallen sind? Vier, fünf Stunden? Dem Aiji stehen Großraumflugzeuge zur Verfügung. Vielleicht ist er schon mit seinen Truppen in Maidingi gelandet.«
»Und der Aufstand wäre in Kürze niedergeschlagen. Doch darauf würde ich mein Leben nicht verwetten«, meinte Ilisidi. »Der Bund wackelt. Was ihn noch zusammenhält, ist Tabinis Ansehen in der Öffentlichkeit. Das weiß mein Enkel sehr genau, und er weiß auch, daß dieses Ansehen verspielt wäre, wenn er mit brutaler Gewalt zuschlüge, um einen Aufstand zu unterdrücken, der angesichts der Vorgänge am Himmel vielen Atevi nachvollziehbar, wenn nicht gar legitim erscheint. Nein. Tabini hat bereits reagiert, indem er Bren-Paidhi in mein Haus schickte. Und ich bin überzeugt, daß sich der Aufstand von allein legt, wenn ich – als ausgesprochene Gegnerin des Vertrags – den Paidhi persönlich bei meinem Enkel in Shejidan abliefere. Darum will ich so schnell wie möglich losfliegen, also von Wigairiin aus. Nadiin, vergessen Sie nicht, wir führen hier einen politischen Krieg.«
»Nand’ Aiji-Mutter«, sagte Banichi. »Es kommt nicht von ungefähr, daß Bomben vom Himmel fallen. Das wurde von langer Hand vorbereitet, denn ein Flugzeug umzurüsten geschieht nicht von heute auf morgen. Sie werden doch bestimmt über diese Vorgänge informiert gewesen sein.«
»Nadi«, konterte Ilisidi, »gewiß hat Sie mein Enkel über das, was er so alles plant, in Kenntnis gesetzt.«
Worüber reden die eigentlich? fragte sich Bren erschrocken. Was unterstellen sie sich da gegenseitig?
Verrat?
»Für den Fall, daß Sie nachfragen sollten«, sagte Banichi. »Tabini gibt uns nur wenig Auskunft.«
Mein Gott.
»Wir gehen nach Wigairiin«, sagte Cenedi. »Maidingi kommt nicht in Frage, denn was Tabini nun plant oder nicht, ist mir zu ungewiß.«
»Sie entscheiden«, sagte Banichi und verlagerte das Gewicht von einem auf den anderen Ellbogen. »Sie kennen sich in der Gegend aus und wissen besser als ich, was uns dort erwartet.«
»Also, das wäre geklärt«, sagte Ilisidi und rammte nachdrücklich ihren Stock in den weichen Boden. »Heute nacht. Hoffen wir, daß nach all dem Regen die Startbahn nicht überschwemmt ist.«
»Die hat selbst im trockenen Zustand ihre Tücken«, sagte Cenedi. »Eine einzige, bedenklich kurze Piste, am Rand eines Felsbruchs. Da könnten sich Heckenschützen verschanzen. Das Flughafengebäude ist eine alte Villa; von der führt ein Schotterweg nach Fagioni. Die letzte Provinz-Aiji hat die Anlage bauen lassen, weil sie zu vornehm war, um mit Linienmaschinen von Maidingi aus zu starten. Der Piste mußte übrigens eine Burg aus dem vierzehnten Jahrhundert weichen.«
»Was die Denkmalbehörde schwer erschüttert hat«, ergänzte Ilisidi. »Dem Sohn der verstorbenen Aiji gehört der Jet, der auf uns wartet. Ein Zehnsitzer, aber es kommen auch zwölf Personen spielend unter. Cenedi hat sich davon überzeugt. Die Maschine wird voll betankt sein.«
»Es sei denn, die Rebellen sind einmarschiert«, schränkte Cenedi ein. »In dem Fall müßten wir uns um das Flugfeld schlagen, Nadiin. Sind Sie dazu bereit?«
»Ja«, antwortete Banichi kaum hörbar. »Ich bin dabei.« Die Spannung zwischen ihm und Cenedi war nahezu greifbar.
»Selbstverständlich«, sagte Jago.
»Und wird sich der Paidhi unseren Befehlen fügen?« wollte Cenedi wissen.
»Ich…«, hob Bren an, doch Jago schlug ihm mit dem Handrücken vors Knie und knurrte: »Der Paidhi tut, was ihm gesagt wird.«
»Ich…« Bren wollte für sich selbst sprechen, doch Jago unterbrach ihn ein zweites Mal. »Sie halten jetzt den Mund, Nadi Bren.«
Er blickte verlegen zu Boden und scharrte mit dem Fuß in vermodertem Laub, während sich die anderen über das Gelände von Wigairiin und die Flugpiste unterhielten. Inzwischen waren dem mutmaßlichen Arzt die verlangten Schienen – drei schlanke Äste – und eine elastische Bandage gebracht worden, mit denen er Banichis Fuß zu stützen versuchte. »Fester, Nadi«, forderte Banichi, doch der Arzt bemerkte schroff, daß er keine Belehrung nötig habe.
Banichi lehnte sich zurück, unter Schmerzen, wie
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