Atevi 1 - Fremdling
zwischen ihm, seinem Sohn und der Bodenstation gewechselt wurde, im selben Moment zu hören bekam. Jede Wette.
»Pat«, sagte Pardino und übertönte, was er eigentlich hören wollte, nämlich Ians Stimme, »Pat, dein Junge ist nicht auf den Kopf gefallen und weiß sich zu helfen. Mach dir keine Sorgen. Wir wissen zwar auch nicht, was vorgefallen ist, aber feststeht, daß er unverletzt ist und auch nicht bedroht wird. Die Gegenseite ahnt offenbar nicht, daß er mit uns in Verbindung steht. Um sie nicht zu erschrecken, hat er die Empfangslautstärke an seinem Apparat runtergestellt. Noch hält er sich in der Nähe auf. Die Batterien sind voll und reichen mindestens für weitere vier Tage. Er sagt, wir sollen uns zurückhalten, damit der andere nicht in Panik gerät. Hast du verstanden, Pat?«
»Ja doch. Verdammt, ich will mithören, was da über Radio reinkommt.«
»Die Verbindung steht.« Pardino klinkte sich aus, doch dadurch wurde die Übertragung auch nicht besser. Patton lauschte angestrengt dem statischen Knistern und hielt an der Bemerkung fest, daß sich sein Junge zu helfen wisse.
Dann war Ians Stimme zu hören. Außer Atem sagte er: »Immer noch alles in Ordnung. Macht euch keine Sorgen. Er hat bloß Angst, daß uns jemand folgt. Wir sind hier in einer Höhle zwischen den Felsen. Er hält mich am Arm fest, sehr behutsam, versucht anscheinend, mich zu beruhigen. Er spricht zu mir und hält das, was ich sage, für den Versuch einer Antwort.«
Die andere Stimme hörte sich wie ein tiefes, ruhiges Schnurren an.
»Er ist mindestens einen Kopf größer als ich«, fuhr Ian fort. »Vom Körperbau ähnlich wie wir, allerdings enorm kräftig. Seine Haut ist schwarz wie das All, die Nase leicht gewölbt, aber ziemlich flach im Gesicht; die Augen stehen eng beieinander. Ich glaube, er runzelt die Stirn… «
Und dann wieder die andere Stimme. Nach einer Pause:
»Er spricht mit mir. Das ist zu hören, oder? Es klingt, als wolle er mich beruhigen.«
Patton hörte aus der Stimme des Sohnes Angst heraus. Es war deutlich vernehmbar, daß er unter Stress stand und immer wieder nach Luft schnappen mußte.
Nervös verknotete Patton die Finger ineinander bei dem Gedanken daran, daß die Gilde jedes Wort und jeden Laut mitschneiden würde, um die Aufnahme dem Rat vorspielen zu können.
Er kannte seinen Sohn. Ian wußte sich zu beherrschen und schien auch jetzt seine Nerven im Griff zu haben. Seine Atemnot war in erster Linie auf körperliche Erschöpfung zurückzuführen. Anscheinend hatte er sich überanstrengt. Doch wer ihn weniger gut kannte, würde annehmen müssen, daß er vor Angst keine Luft bekam.
Patton wählte die Büronummer seiner Frau. Er wollte nicht, daß sie über Dritte erführe, was geschehen war, und sagte betont gelassen: »Joy, ich habe soeben erfahren, daß es unten zum ersten Kontakt mit Einheimischen gekommen ist, genauer gesagt, zwischen Ian und einem offenbar männlichen Wesen. Wie’s aussieht, besteht kein Anlaß zur Sorge.«
»Was soll das heißen?« meldete sich Joy vom anderen Ende. »Wo steckt er jetzt? Ist er in Sicherheit?«
»Es geht ihm gut«, antwortete Patton. »Wir stehen mit ihm in Verbindung. Er hat sein Radio eingeschaltet. Auf Kanal B kannst du ihn hören.«
»Ja, ich bin drauf«, sagte Joy. »Ich höre…«
»…ein bißchen außer Atem«, berichtete Ian und hustete. »Hab weiche Beine gekriegt, was wohl daran liegt, daß ich immer noch nicht richtig akklimatisiert bin. Ich weiß nicht genau, vermute aber, daß wir höchstens zwei, drei Kilometer vom Basislager entfernt sind. Es stehen hier Bäume mit großen, dünnen Blättern. Viel Grün ringsum, hauptsächlich eine Art Moos. Ich glaube wir sind in der Nähe von Wasser. Üppige Vegetation…«
Patton konnte es kaum fassen. Ian schien sogar jetzt noch seine naturkundlichen Beobachtungen fortzusetzen. Dabei interessierte doch jetzt viel mehr, was es mit diesem Einheimischen auf sich hatte.
Als dessen Stimme wieder zu hören war, schaltete sich Joy dazwischen: »Ist das einer von denen?« Und er antwortete: »Bislang haben wir’s nur mit einem zu tun. Er ist durch die Absperrung marschiert und auf Ian zugetreten, Ian wollte nicht, daß jemand dazukommt. Offenbar fühlt er sich nicht bedroht.«
»Sir«, unterbrach die Stimme seiner Sekretärin. »Vordict hat angerufen. Er sagt, es sei dringend. Es geht um Ihren Sohn.«
Die Gilde wußte also tatsächlich schon Bescheid. Sie würde die Sache aufblasen und politisches
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