Atevi 1 - Fremdling
Spur von Dankbarkeit in seinem Gesicht. »Ian«, sagte der Mann zweimal hintereinander und deutete mit dem Finger auf sich. Offenbar wollte er seinen Namen zu verstehen geben. Mit gleicher Geste nannte Manadgi seinen Namen.
»Ian«, wiederholte der Mann und streckte seine Hand aus, auffordernd, daß man es ihm gleich tue.
»Manadgi.« Er streckte seine Hand, obgleich er sich närrisch dabei vorkam. Das fremde Wesen ergriff die Hand und schüttelte sie heftig.
»Ian, Manadgi«, sagte es und zeigte sich erfreut über seine Entdeckung. Sie saßen da, schüttelten einander die Hand, gleichermaßen närrisch, gleichermaßen ängstlich und erleichtert und verwirrt über die gegenseitige Andersartigkeit.
Natürlich hatte Manadgi keine Ahnung von den Sitten und Erwartungen des Mondvolkes. Ebenso ratlos mußte dieser Ian sein. Immerhin schien er zivilisiert zu sein und hatte auf seine seltsame Weise eine persönliche Beziehung zu ihm aufgenommen, eine Beziehung, die gewiß von großer Bedeutung war, gehörte er doch einem Volk an, das, wie man sehen konnte, Enormes zu leisten vermochte.
»Laß uns gehen«, sagte er und machte sich ihm durch Gebärden verständlich. »Wir, Ian und Manadgi, gehen jetzt ins Dorf.«
Drittes Buch
I
Durch die Läden der geöffneten Terrassentür drang schwüle Luft voll vom Duft der bei Nacht blühenden Ranken an der Hauswand. Ein O’oi-ana, der Künder von Regenwetter, machte immerzu klick-klick. Bren lag zu Bett und dachte, daß es klüger wäre, aufzustehen und Fenster und Türen zu schließen. Der Wind würde drehen und mit kühlem Schwall vom Meer her kommen. Doch Bren war zu träge, und so blieb er liegen, darauf wartend, daß das erste Morgenlicht den Schatten der Läden auf die Gardinen warf.
Die Schnitzerei im Gitterwerk der Läden stellte die Symbole für Glück und Zufall dar, Baji und Naji. Draußen bewegten sich die Ranken im auffrischenden Wind, und endlich, endlich zuckten leuchtend die Gardinen auf mit dem Versprechen, daß die Hitze bald überstanden sein würde.
Mit dem nächsten Lichtstrahl zeigte sich der Schattenriß eines Ateva, der auf der Terrasse aufgetaucht war und wie ein Standbild verharrte. Was hatte der dort zu suchen. Bren erschrak, als er die Silhouette in der wogenden Gardine entdeckte, und glitt mit pochendem Herzen zum Bettrand hin.
Erneut zuckte ein Blitz auf und ließ erkennen, daß der nächtliche Schatten durch aufgeklappte Läden ins Zimmer einzudringen versuchte.
Bren langte unter die Matratze und holte die darunter versteckte Pistole hervor, stützte die Arme aufs Kissen, so wie es ihm der Aiji beigebracht hatte, und feuerte die Waffe ab. Die Erschütterung der Explosion betäubte seine Hand, und der Feuerstrahl machte ihn blind vor der Nacht und dem Eindringling. Aus Angst verfehlt zu haben, ließ er gleich darauf einen zweiten Schuß folgen.
Atemlos lauschte er ins Dunkle, hörte aber keinen Körper fallen. Die weißen, dünnen Gardinen wehten ins Zimmer; kühle Luft machte sich darin breit.
Mit tauben Händen hielt er die Pistole umklammert. Das Krachen der Schüsse dröhnte in den Ohren nach, so daß er nicht hörte, was leiser war als ein Donnerschlag, leiser als das Klappern im Schloß der Schlafzimmertür. Anscheinend waren die Wachen gekommen und versuchten mit ihrem Schüssel die Tür zu öffnen.
Oder womöglich doch nicht. Er zog die Beine an, stützte die ausgestreckten Arme auf die Knie und richtete den Pistolenlauf auf den Eingang. Kurz darauf ging die Innentür auf. Licht und Schatten stürmten auf ihn ein.
Die Wachen des Aiji hielten sich nicht mit Fragen auf. Einer eilte durch die Terrassentür nach draußen, wo es zu regnen angefangen hatte. Der andere, ein gesichtsloser Schatten mit schimmernder Metallbeschlägen, trat auf ihn zu und wand ihm die Pistole aus den Händen.
Jetzt stürmten weitere Wachen herbei, und er hörte Banichis Stimme – ja, es war Banichi, der ihm die Waffe abgenommen hatte. »Durchsucht das Gelände«, rief Banichi. »Und seht nach dem Aiji!«
Bren zitterte vor Erregung. »Wie geht es Tabini?« fragte er. »Ist mit ihm alles in Ordnung, Banichi?«
Doch Banichi nahm seine Frage nicht zur Kenntnis; er sprach in sein Taschen-Kom und teilte Befehle aus. Dem Aiji ist nichts passiert, dachte Bren im stillen; sonst wäre Banichi nicht hier, und er würde gewiß nicht so gelassen dastehen und mit ruhigem Tonfall Kommandos geben. Er hörte Banichi in den Apparat sprechen, hörte auch, wie ihm
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