Atevi 1 - Fremdling
für Karten?« wollte Jago wissen, als Bren gerade zur Frage nach seiner Post anzusetzen versuchte. Aber Banichi hatte wahrscheinlich Wichtigeres im Sinn. Vielleicht mußte er sich im Sicherheitsbüro melden oder davon überzeugen, ob die Überwachungsanlage funktionierte.
»Es ist ein einfaches Zahlenspiel«, sagte Bren, und im stillen hoffte er, daß Banichi ihn nicht mit Jago alleinlassen würde, nicht die ganze Nacht über. Zu fragen, wann sie denn zu gehen vorhabe, wäre unhöflich. Was sollte er sagen, wenn Banichi seine Kollegin aufforderte, hier zu bleiben? Noch während er sich darüber Gedanken machte, ging Banichi zur Tür und verabschiedete sich mit den Worten:
»Passen Sie auf den Draht auf, Nadi Bren.«
»Gin«, sagte Jago.
Seufzend warf Bren seine Karten hin; zum Glück spielten sie nicht um Geld.
»Verzeihung«, meinte sie, »es läge mir fern, mich brüsten zu wollen, aber Sie sagten, daß diese Meldung fällig sei, wenn…«
»Ja, ja, so sind die Regeln.«
»Hab ich sie womöglich falsch ausgelegt?« Jago war sichtlich irritiert.
Er hatte sich mishidi verhalten – plump und ungeschickt. Als Geste der Versöhnung zeigte er ihr seine Handfläche. »Es war genau richtig so.« Himmel, man kam gar nicht umhin, ständig irgendwo ins Fettnäpfchen zu treten. »Es ist sogar höflich anzumelden, daß man gewonnen hat.«
»Prüfen Sie nicht nach, was ausgespielt ist?«
Wie alle Atevi so hatte auch Jago ein unschlagbares Gedächtnis für Zahlen; dabei befaßte sie sich längst nicht so fanatisch mit numerologischen Spekulationen wie fast alle anderen ihresgleichen. Zugegeben, er hatte nicht richtig mitgezählt; aber er war ohnehin chancenlos.
»Ich bin nicht ganz bei der Sache, Nadi Jago. Sie verstehen hoffentlich.«
»Glauben Sie mir, von Ihrer Sicherheit hängt unser persönlicher Ruf ab, und wir tun unser möglichstes, daß beides nicht in Gefahr kommt.«
Er hätte gern den Kopf auf die Hand gelegt und zum Ausdruck gebracht, daß er über dieses Thema nicht länger reden wollte. Aber gewiß wäre er damit wieder einmal bei Jago angeeckt.
»Daran zweifle ich nicht, Nadi Jago, und ich bin auch überzeugt davon, daß Sie dazu in der Lage sind. Ich wünschte nur, selber besser auf Zack zu sein, anstatt mich dadurch in Verlegenheit zu bringen, daß ich den Eindruck erwecke, an Ihrer Fähigkeit zu zweifeln.«
»Tut mir leid.«
»Wenn ich mich erst einmal ausgeschlafen habe, werde ich bestimmt wieder voll auf der Höhe sein. Bitte, rechnen Sie es meiner momentanen Verwirrung an, wenn ich mich unhöflich zeige.«
Jagos flaches, schwarzes Gesicht und die leuchtend gelben Augen verrieten ungewöhnlich viel an Ausdruck – nicht etwa Ärger oder Kränkung, wie er fand, sondern Neugier.
»Ich gestehe, daß ich mich unwohl fühle«, entgegnete sie und zog die Brauen zusammen. »Aber sei es, wie Sie sagen. Ich habe Sie also nicht beleidigt.«
»Überhaupt nicht.« Atevi ließen sich nicht gern berühren. Doch ihr Verhalten lud ihn dazu ein, und so tätschelte er ihre Hand, die vor ihm auf dem Tisch lag. »Ich verstehe Sie gut.« Was er damit meinte, schien nicht so recht anzukommen; darum blickte er ihr in die Augen und schickte seine aufrichtigsten Gedanken hinterdrein. »Ich hoffe, Sie haben auch mich verstanden. Meine menschliche Art zu reagieren.«
»Können Sie das näher erklären?«
Die Frage war nicht an Bren Cameron gerichtet – den kannte sie kaum –, sondern an den Paidhi, den Dolmetscher. Wie Bren vermutete, ging es ihr darum, etwas mehr über die Person zu erfahren, die sie im Auftrag des Aiji zu beschützen hatte und die ihrer Meinung nach den Vorfall der vergangenen Nacht nicht ernst genug nahm, also auch nicht sie, seine Beschützerin. Wie sollte sie ihn verstehen lernen, zumal er, der Paidhi, nur verwirrende Hinweise von sich gab? Sie bat um Erklärung, da er offen den Wunsch äußerte, daß sie Verständnis für ihn haben möge.
»Wenn solche Fragen einfach zu beantworten wären, bedürfte es keines Paidhi«, antwortete er ausweichend. »Und wo bliebe ich dann?«
Das erklärte gar nichts; er versuchte bloß, die Verwirrung herunterzuspielen, was Jago zu bemerken schien. Er sah es ihren Augen an.
Er spürte, daß ihm die Kontrolle über die Situation entglitt. »Wo ist Banichi hingegangen?« fragte er. »Wird er noch heute nacht zurückkommen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie und zeigte sich immer noch skeptisch. Womöglich hatte sie auch diese Frage in den falschen
Weitere Kostenlose Bücher