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Atevi 1 - Fremdling

Atevi 1 - Fremdling

Titel: Atevi 1 - Fremdling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Hals bekommen und so interpretiert, als wünschte er sich Banichi möglichst schnell zurück.
    Was er auch tat. Aber beileibe nicht deshalb, weil er an ihrer Kompetenz als Beschützerin zweifelte. Bren wußte nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Dieses Gespräch brachte ihn völlig aus der Fassung, wohl nicht zuletzt aufgrund Banichis Bemerkung, daß Jago seine Haare schön fand.
    »Ich will meine Post«, sagte er in der Hoffnung, sie auf andere Gedanken zu bringen.
    »Ich kann ihn rufen und bitten, sie vorbeizubringen.«
    Er hatte vergessen, daß Banichi jederzeit über sein Taschen-Kom zu erreichen war. »Ja bitte, machen Sie das«, sagte er.
    Jago versuchte mehrere Male, den Kollegen anzurufen. Vergebens. »Er meldet sich nicht.«
    »Es wird ihm doch nichts passiert sein?« Die Sache mit der Post verlor an Dringlichkeit, wohl aber nicht, wie er fürchtete, an Bedeutung. Die ungewöhnlichen Vorkommnisse häuften sich.
    »Wohl kaum.« Jago sammelte die Karten ein. »Noch eine Runde?«
    »Angenommen, es versucht jemand, hier einzubrechen, und Sie brauchen Hilfe? Wo kann Banichi nur sein?«
    Jago blähte die breiten Nasenflügel. »Damit würde ich auch allein klarkommen, Nadi Bren.«
    Schon wieder hatte er sie beleidigt.
    »Aber was ist, wenn er in Schwierigkeiten steckt? Wenn er überfallen worden ist? Wer weiß’…«
    »Sie machen sich zu viele Sorgen.«
    Allerdings. Dazu kam, daß ihm wieder einmal bewußt wurde, wie fremd er unter den Atevi war. In panikartiger Bestürzung zweifelte er an seiner Befähigung für das Amt, das er innehatte. Womöglich, so dachte er, war der Mangel an Einfühlung, den er Jago gegenüber an den Tag legte, beispielhaft für sein allgemeines Problem unter den Atevi, das in schärferer Konsequenz zu der Bedrohung geführt hatte, die er nun gewärtigen mußte.
    Oder ließ er sich vielleicht durch der Übereifer seiner Beschützer angst machen vor einer Gefahr, die gar nicht existierte?
    »Was bedrückt Sie, Paidhi?«
    Er schaute auf und sah sich dem starren Blick aus gelben Augen ausgesetzt. Als ob sie das nicht wüßte, dachte er. Was soll die Frage? Mißtraute sie ihm?
    Aber von Vertrauen nach menschlichem Verständnis konnte ohnehin nicht die Rede sein. Ein solches Wort gab es nicht in Jagos Sprache; es ging auf in der Bedeutung dessen, was sich ihresgleichen unter dem Begriff Man’chi vorstellte, übersetzbar mit ›Zentralverbund‹ oder im weitesten Sinne ›enge, persönliche Interessengemeinschaft‹. Verbände gab es viele, und jeder Haushalt, jede Provinz gehörte Dutzenden solcher Verbände an, die keine geographische Grenzen kannten und ausschließlich interessenbezogen waren, so daß sich landein, landaus ein schier unentwirrbares Beziehungsnetz gebildet hatte. Man’chi, der Zentralverbund, war das, was ›Vertrauen‹ gleichsam in seiner Definition einschloß und insofern das vertrauensvolle Verhältnis zwischen zwei Personen kennzeichnete.
    »Man’china aijiia nai’am«, sagte er. Ich bin vor allem der Verbündete des Aiji. »Nai’danei man’chini somai Banichi?« Mit wem sind Sie und mit wem ist Banichi in erster Linie verbündet?
    »Tabini-aijiia, hei.« Doch Atevi sagten in dieser Hinsicht oft die Unwahrheit.
    »Nicht etwa untereinander?« hakte er nach. »Ich dachte, Sie stünden einander sehr nahe.«
    »Wir haben dasselbe Man’chi.«
    »Und wie steht’s um Ihr beiderseitiges Verhältnis?«
    Er glaubte, in ihrem Gesicht einen flüchtigen Ausdruck von Offenheit zu erkennen, der aber sofort wieder verdeckt wurde durch ihre ewig skeptische Miene.
    »Der Paidhi weiß, wie heikel eine solche Frage ist«, entgegnete Jago.
    »Der Paidhi fragt nicht von ungefähr«, antwortete er. »Er hält es für seine Pflicht, Nadi.«
    Jago stand vom Tisch auf, durchquerte das Zimmer und blieb für eine Weile stumm. Sie schaute durch die Gartentür nach draußen, stand nahe vor dem tödlichen Draht, was ihn nervös machte. Aber er hütete sich davor, sie zu warnen. Jago war gereizt. Er hatte sie zwar nicht direkt beleidigt, sie aber mit einer äußerst persönlichen, intimen Frage behelligt.
    »Als Dolmetscher dürfte Ihnen klar sein, daß Sie keine ehrliche Antwort darauf erwarten können« – so war ihre Entgegnung zu verstehen gewesen, und er hatte ihr klipp und klar, aber ohne unhöflich zu sein, zu verstehen gegeben: »Als Dolmetscher diene ich dem Aiji mit der Frage danach, wie Sie Ihre persönlichen Beziehungen gewichten.«
    Auf den Punkt gebracht: der Aiji oder Banichi –

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