Atevi 1 - Fremdling
er wegdämmerte, dachte er daran, Hanks anzurufen. Oder hatte er sie schon angerufen? Er wußte es nicht mehr.
V
Helles Licht tat weh. Jede Bewegung tat weh. Jede Körperstelle schmerzte, sobald er sich bewegte, vor allem der Kopf. Der Duft von Gekochtem war ganz und gar nicht verlockend. Doch wiederholt rüttelte ihn Tano bei der Schulter und beugte sich über ihn. Jedenfalls glaubte er, daß es Tano war. Das Licht brannte in den Augen, und er konnte nicht richtig sehen.
»Sie müssen was essen, nand’ Paidhi.«
»Himmel.«
»Auf jetzt!« Mitleidslos stopfte Tano ihm ein Kissen unter Kopf und Schultern, was gemein weh tat und den Magen rebellieren ließ.
Bren wehrte sich nicht; daß er ruhig sitzen blieb, war sein Beitrag zur Kooperation und Beschwichtigung seiner Folterer. Er sah Algini im Durchgang stehen, der zum Bad und zu den Unterkünften der Dienstboten führte. Algini unterhielt sich mit Jago, sehr leise; ihre Stimmen waren nicht voneinander zu unterscheiden. Tano kam mit einer Schale Suppe und ein paar Waffeln ans Bett zurück. »Essen Sie«, sagte Tano. Bren wollte nicht. Er wollte Tano wegschicken, doch seine Diener würden sich nicht wegschicken lassen, denn sie waren von Tabini in die Pflicht genommen worden, und Bren mußte tun, was sie sagten.
Weiße Waffeln, die waren gut gegen Übelkeit, und du willst doch wieder gesund werden. Er dachte an Mospheira, an sein Kinderzimmer, seine Mutter… Doch es war Tano, der seinen Kopf von hinten stützte und darauf bestand, daß er wenigstens die Hälfte essen sollte. Und so knabberte er einen kleinen Bissen ab, während alles um ihn herum zu wanken anfing und er aus dem Bett zu rutschen drohte.
Er schloß die Augen, döste ein und wurde wieder geweckt durch den Geruch der Suppe. Widerwillig nahm er einen Schluck, nachdem ihm Tano die Schale an den Mund geführt hatte. Die Suppe brannte im Mund und schmeckte nach Tee. Er hatte genug, doch Tano blieb stur und meinte, daß er mehr davon trinken müsse, da nur so das Gift aus seinem Körper herauszuspülen sei. Also zog er den Arm unter der warmen Decke hervor, nahm die Schale in die Hand, und nachdem ihm Tano ein zweites Kissen in den Nacken gestopft hatte, trank er von der Suppe, bis der Magen keinen weiteren Tropfen mehr tolerierte.
Erschöpft hielt er die Schale mit beiden Händen, unfähig zu entscheiden, ob er den Arm unter die wärmende Decke zurücklegen sollte oder ob es günstiger war, die Finger an der Schale zu wärmen. Nur keine unnötige Bewegung, dachte er. Er wollte nur daliegen und atmen.
Banichi kam. Er schickte Tano weg und trat ans Bett, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Wie fühlen Sie sich, nand’ Paidhi?«
»Bedeppert«, murmelte er. Er erinnerte sich an die Aiji-Mutter, die Teekanne, die Scherben im Kamin. Oder war alles nur eine Halluzination? So wie der Mann, der Banichi zum Verwechseln ähnlich sah?
Und jetzt wieder in der Tür stand.
Bren schreckte auf.
Cenedi kam näher und stellte sich vors Bett. »Ich möchte mich entschuldigen«, sagte er. »In aller Form. Das mit dem Tee hätte ich wissen müssen.«
»Ich hätte es selbst wissen müssen und werde mich in Zukunft besser vorsehen.« Der Teegeschmack lag ihm immer noch im Mund. Der Kopf schmerzte bei der kleinsten Bewegung. Es ärgerte ihn, daß Banichi dem Fremden gestattet hatte, ins Zimmer zu kommen. Aber vielleicht, so dachte er, trieb Banichi ein doppeltes Spiel, das nicht so leicht zu durchschauen war. Wie auch immer, Bren entschied sich dafür, Cenedi gegenüber so zu tun, als vertraute er ihm. Es war ratsam, sich nicht mit ihm anzulegen, höflich zu sein und die Zunge im Zaum zu halten.
Banichi sagte: »Der Tee der Aiji-Mutter wird nach einem alten Rezept gebraut. Es stammt aus der hiesigen Gegend und enthält einen Wirkstoff, der der Aiji-Mutter gut bekommt und ihrer Meinung nach besonders gesundheitsförderlich ist. Bei Menschen aber, die eine schwächere Konstitution haben und empfindlich auf Alkaloide reagieren…«
»Mein Gott.«
»Dieser Wirkstoff steckt in der Teesorte namens Dajdi. Ich rate Ihnen für die Zukunft, die Finger davon zu lassen.«
»Auch der Koch bittet vielmals um Entschuldigung«, sagte Cenedi. »Er wußte nicht, daß die Aiji-Mutter einen Menschen zur Gesellschaft hatte.«
»Er soll sich keine Vorwürfe machen.« Ihm war schwindelig. Er lehnte sich zurück und ließ dabei fast die Suppenschale überschwappen. »Es war meine Schuld.«
»So spricht menschliche
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