Atevi 1 - Fremdling
Beispiel geteerte Straßen.«
»Die gibt es doch auch auf dem Festland, zahlreicher als bei uns.«
»Aber in welchem Verhältnis? Das Festland ist tausendmal größer als Mospheira. Seien Sie doch ehrlich, nand’ Paidhi.«
»Das Problem sind die Verbrennungsmotoren. Aber bald wird es auch hier Fahrzeuge geben, die andere Antriebsmöglichkeiten nutzen.«
»Wann? Ich werde das wohl nicht mehr erleben.«
»In dreißig Jahren vielleicht. Vielleicht eher. Für den Bau solcher Fahrzeuge müssen geeignete Industrieanlagen eingerichtet und Rohstoffe bereitgestellt werden. Und bevor es dazu kommen kann, müßten die einzelnen Bündnisse und Provinzen zur Kooperation bereit sein. Es gilt, die Interessen aller zu berücksichtigen und zu harmonisieren. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie schwierig das ist.«
Ilisidi lachte, kurz und bitter. Ihr schwarzes Profil stand wie ein Schattenriß vor der diesigen Kulisse der Landschaft. Wortlos ritten sie nebeneinander her. Der Wind zauste in der Mähne Nokhadas. Er kam sich vor wie eine halbe Portion auf dem Rücken dieses kräftigen Mecheita, das gezüchtet worden war, um Atevi in den Kampf zu tragen.
»Da hinten liegt der Flughafen«, sagte Ilisidi und zeigte mit dem Finger geradeaus.
Hinter einem Vorsprung im Gelände war eine Ansammlung von Häusern zum Vorschein gekommen, die Ortschaft Maidingi, wie es schien. Unweit davon entfernt, erstreckte sich ein flaches Feld, auf das vom Berg herab eine Straße zuführte.
»Ist das Maidingi?« fragte er, obwohl die Antwort auf der Hand lag. Ilisidi bestätigte, was offenkundig war.
Sie machte ihn des weiteren auf andere Ansiedlungen im Tal aufmerksam, nannte einzelne Landkreise und Bergspitzen jenseits des Sees beim Namen, so auch manche Pflanzen, die hier beheimatet waren.
Doch er schweifte in Gedanken ab, zurück in die Geschichte dieser Region, wovon er in den Büchern aus seiner Unterkunft gelesen hatte; er sah die Burg unter Belagerung der verbündeten Feinde von der anderen Seite des Sees. Malguri hatte über Jahrhunderte den Angriffen aus dem Osten getrotzt. Fliegende Fahnen, Kanonenrauch…
Fang nicht an zu romantisieren, hatte ihm sein Vorgänger eingeschärft; keine Schwärmereien, keinen Wunschvorstellungen nachhängen. Scharf beobachten und sachlich berichten, darauf kommt’s an, davon hängt letztlich unser aller Leben ab.
Davon und von seiner Fähigkeit, die eine Seite über die andere präzise aufzuklären und zwischen beiden zu vermitteln.
Bren aber dachte: Zur Aufklärung gehört das Studium der Geschichte, doch die haben wir ausgeblendet, auf Vergeßlichkeit gesetzt und sie, die Atevi, darin unterstützt, Abstand zu nehmen von ihrer Vergangenheit zugunsten einer Zukunft nach unserer Vorstellung.
Sie ritten dicht an die Steilküste heran. An der fernen Südspitze des Sees zogen schon wieder dunkle Gewitterwolken auf und entluden grelle Blitze in schiefergraues Wasser. Doch die Sonne über dem Bergkamm im Osten ließ das Wasser vor den Ufern Malguris glänzen wie poliertes Silber. Ein Wi’itkiti sprang kreischend aus seinem Horst in der Felswand, während sein Partner mühsam und unter Einsatz seiner Flügelkrallen daran emporkletterte – ein strapaziöser Akt, aber für diese Art unumgänglich, da sie nicht aufwärts fliegen konnte.
Wi’itkitiin lebten auch in Shejidan. Die Wände der hohen Häuser am Park waren so gestaltet, daß diese Tiere daran emporklimmen und dort ihre Nester bauen konnten. Atevi hatten ein Faible für diese ungelenken Flieger, die so viel Mut und Ausdauer bewiesen, den Sprung in die Tiefe riskierten, ungeachtet der Gefahren und Mühen beim Wiederaufstieg.
Gefährliche Räuber in der Luft und leichte Beute am Boden.
Der Pfad endete hier. Ilisidi schwenkte davon ab und lenkte Babs über eine steile, steinige Böschung talwärts. Bren folgte.
Nach einer Weile passierten sie grasüberwuchertes Ruinengemäuer. Cenedi erklärte, daß hier die Burg Tadiiri – das hieß Schwester – gestanden habe, eine einst wehrhafte und mit Kanonen bespickte Festung.
»Und wodurch ist sie zu Fall gekommen?« fragte Bren.
»Es kam zum Streit mit Malguri«, antwortete Cenedi. »Und dann war da noch ein Faß Wein im Spiel, das dem Aiji von Tadiiri oder seinem Hof nicht bekam. Ziemlich ungeschickt eingefädelt die ganze Sache. Von Biichi-gi keine Spur.«
Diese Bemerkung brachte Bren endlich die Gewißheit, daß Cenedi die gleiche Funktion ausübte wie Banichi und Jago. Jetzt erklärte sich auch,
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