Atevi 1 - Fremdling
warum Cenedi auf seine, Brens, Teevergiftung so verlegen reagiert und den unglücklichen Zufall als persönliche Schlappe empfunden hatte.
»Danach brach offener Kampf aus«, fuhr Cenedi fort. »Tadiiri wurde zerstört. Die Kanonen an der Einfahrt zu Malguri sind Beutestücke aus jener Zeit.«
Bren hatte sie für Attrappen gehalten, für museale Dekoration. Er wußte nur wenig über diese Dinge. In der Geschichte der Atevi hatten Kanonen nie eine große Rolle gespielt. Krieg wurde in der Regel mit anderen Mitteln geführt, klammheimlich und mit List. Es drohten nicht hochgerüstete Armeen, sondern Hinterhalt und Meuchelmord. Dagegen war schwere Artillerie wehrlos.
Und da ritt er nun in Begleitung Ilisidis und deren Leibwache, während diejenigen, die ihm Tabini zum Schutz an die Seite gestellt hatte, außen vor blieben.
War dieses Arrangement womöglich eine Art Manöver, ein Winkelzug, eine verschlüsselte Demonstration von Macht und Stärke?
Banichi und Cenedi sprachen miteinander, ließen auch zu, daß der eine dem anderen ins Gehege kam. Allerdings war Banichi verärgert darüber gewesen, daß Bren die Einladung angenommen hatte, die rückgängig zu machen unmöglich wäre, wie Banichi gesagt hatte. All das gehörte vielleicht zur atevischen Dramaturgie der Bewältigung einer vertrackten Situation, nämlich der zwischen Tabini und seiner Großmutter. Vielleicht sollte Banichis Autorität in diesem Haus auf die Probe gestellt werden.
Womöglich würde man ihn, Bren, in Frieden lassen, sobald der Konflikt zwischen Ilisidi und Tabini gelöst wäre.
Ja, hier war Diplomatie gefragt, dachte er bei sich, während Nokhada in die Spur zurückging, an ihren Platz hinter Babs.
Wer auf Malguri das Sagen hatte, war ihm nun restlos klar, und das schien auch Tabini zu respektieren, was an Banichis Verhalten deutlich wurde.
Wie dem auch sei, er fühlte sich jetzt ein wenig sicherer, geschützt von Ilisidis und Tabinis Garde gleichermaßen.
VII
Die Schreie der Mecheiti hallten durch den Burghof. Erst auf seine dritte Aufforderung hin knickte Nokhada in den Vorderläufen ein, um ihn absitzen zu lassen, aber wahrscheinlich, so dachte er, tat sie dies nicht auf Verlangen, sondern weil alle anderen Reittiere bereits zu Boden gegangen waren.
Er rutschte von der schweißnassen Flanke, und während er die Zügel zu richten versuchte, sah er den Kopf des Tiers herumfahren und an seinem Ärmel knabbern. Die Stoßzähne kamen ihm bedrohlich nahe, doch er hütete sich, Nokhadas Nüstern zu berühren. Dann hob sie den Kopf, schnupperte in der Luft und beklagte sich lauthals – oder vielleicht gefiel ihr auch der Widerhall der eigenen Stimme.
Zwei Stallburschen kamen, um sie wegzuführen. Bren hielt es für angemessen, sie mit einem Klaps auf die Schulter zu verabschieden, doch sie schnaubte bloß, riß ihm die Zügel aus der Hand und trottete in Richtung Stall.
Ilisidi sagte: »Nokhada steht Ihnen jederzeit zur Verfügung. Die Stallknechte sind angewiesen, dem Paidhi-Aiji behilflich zu sein.«
»Besten Dank«, antwortete er und massierte die schmerzenden Schenkel.
»Sie könnten noch ein bißchen Übung gebrauchen«, meinte sie, ließ sich ihre Krücke reichen und ging. Nach wenigen Schritten drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Bis morgen zum Frühstück.« Und mit dem Stock fuchtelnd, fügte sie hinzu: »Keine Widerrede, nand’ Paidhi. Sie sind mein Gast.«
Er verbeugte sich und kehrte im Gefolge aus Dienern und Wachen ins Haus zurück. Seine Lippe war stark angeschwollen, die Haut der rechten Innenhand aufgeschürft. Das Hinterteil schmerzte, und ihm graute davor, wie weh es erst morgen täte, wenn die Alte ihre Drohung wahrmachte und zu einem neuerlichen Ausritt aufforderte.
Auf demselben Weg, den sie gekommen waren, folgte er den anderen über die Stufen hinauf zum Balkon, auf dem er gefrühstückt hatte. Die Alte war vorausgegangen und kümmerte sich nicht mehr um ihn, was nicht etwa als Unhöflichkeit aufzufassen war. Sie hatte im Moment einfach kein Interesse daran, den Austausch mit einem Untergebenen fortzusetzen. Bren konnte sich nun frei bewegen, es sei denn, ein Bote käme, um ihm irgendeinen Auftrag zu erteilen.
Dem war nicht so. Er durchquerte den Eingangsbereich zu den Gemächern der Aiji-Mutter und ließ sich von beflissenen Dienern eine Tür nach der anderen öffnen und gutes Baji wünschen.
Auf kraftlosen, schmerzenden Beinen schleppte er sich durch die Gänge, müde, aber
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