Atevi 1 - Fremdling
glaubte, daß die Schießerei vorüber sei, und trat hinter der Tür hervor. Ein kühler Schwall schlug ihm entgegen. Tano kam zurückgerannt. »Gehen Sie rein, nand’ Paidhi!«
Der erste Kleinbus war losgefahren; einige der Insassen winkten durchs Fenster heraus. Unwillkürlich winkte Bren zurück, hielt aber dann mitten in der Bewegung inne, verwirrt über sich selbst. Der Wagen fuhr an der Kanone vorbei die Auffahrt hinunter; der zweite folgte wenig später.
»Bitte, gehen Sie rein, nand’ Paidhi«, wiederholte Tano. »Wir haben alles unter Kontrolle. Jeder glaubt, daß wir einen Machimi-Akt für die Touristen inszeniert haben.«
Bren zitterte vor Erregung und starrte nach draußen. »Wer ist das? Wer ist da erschossen worden?«
»Keine Ahnung, nand’ Paidhi. Das wird sich rausstellen. Aber Sie können hier nicht stehenbleiben. Bitte, gehen Sie nach oben in Ihre Wohnung.«
»Wo ist Banichi?«
»Da hinten«, sagte Tano. »Es ist alles in Ordnung, Nadi. Kommen Sie, ich bringe Sie nach oben.« Tanos Taschen-Kom schnarrte. Er nahm das Gerät zur Hand, meldete sich und sagte: »Er ist hier bei mir.« Als die Antwort durchkam, glaubte Bren, Banichis Stimme erkennen zu können. Das Problem habe sich erledigt, sagte er verklausuliert.
»Was ist mit der Aiji-Mutter?« wollte Bren wissen, und er fragte sich, ob sie auf irgendeine Weise in die Sache verstrickt sei, unwissentlich oder gar in maßgeblicher Rolle.
»Ihr ist nichts passiert«, antwortete Tano und schob Bren mit leichtem Nachdruck vor sich her. »Machen Sie sich keine Sorgen, Nadi.«
»Wer ist der Tote? Hat er zum Personal gehört?«
»Das weiß ich nicht. Bitte, behindern Sie uns nicht bei der Arbeit.«
Bren ließ sich durch die düstere Halle und über die Treppe nach oben führen, aber das Bild des Toten auf den Pflastersteinen gleich neben der Kanone und dem Blumenbeet ging ihm nicht aus dem Sinn.
Und er dachte an den Alarm, den es in der voraufgegangenen Nacht gegeben hatte, an den Ausritt vor knapp einer Stunde; wie leicht hätten er, Ilisidi oder Cenedi Opfer eines Heckenschützen werden können… Er erinnerte sich an jene Nacht in Shejidan, an die Erschütterung in den Händen, als er die Pistole abgefeuert hatte, und an Jago mit ihrem erschreckenden Hinweis auf die Blutspur vor der Terrassentür.
Ihm wurde übel vor lauter Entsetzen über den Alptraum, der sich nun zu wiederholen schien.
Tano ging zwei Schritte vor ihm her und öffnete die Tür zum Empfangszimmer seiner Wohnung, der Zuflucht, wo er sich geborgen fühlen konnte, wo ihn warme Luft empfing. Regen prasselte ans Fenster. Ein Blitzstrahl ließ es grell aufleuchten. Den Touristen stand eine ungemütliche Talfahrt bevor, und ob sie zu Mittag am See würden essen können, war mehr als fraglich.
In der Nacht hatte sich jemand aufs Gelände geschlichen, und dieser Jemand lag jetzt tot in der Auffahrt, gehindert an der Ausführung seiner Absichten.
Tano läutete nach den anderen Dienern und versprach Bren eine Kanne heißen Tee. »Ich würde gern ein Bad nehmen«, sagte Bren. Er hatte jetzt keine Lust, Djinana und Maigi zu begegnen. Er wollte, daß Tano bei ihm bliebe, traute sich aber nicht, ihn dazu aufzufordern, ihn oder die anderen, denen er vertraute, weil sie Tabinis Leute waren. Wenn er ihnen auf die Nerven ginge, würden sie sich noch mehr verschließen. Es waren schließlich nicht seine Gesellschafter, sondern Aufpasser, und Tano hatte deutlich zu verstehen gegeben, daß sie durch seine persönlichen Wünsche bei der Arbeit behindert würden. Nur zu, dachte Bren, nehmt eure Ermittlungen auf, sichert die Spuren vor dem Regen, verhört das Personal. Wie konnte die Person unbemerkt aufs Grundstück kommen? Hatte Banichi womöglich einen schrecklichen Fehler begangen und einen unschuldigen Touristen niedergeschossen, nur weil der sich ein paar Schritt weit von seiner Gruppe abgesondert hatte, um aus günstigem Blickwinkel die Burg zu photographieren?
In dem Fall wäre doch einer zu wenig in dem einen oder anderen Bus. Würde es nicht auffallen, wenn ein Platz leerbliebe? Oder war tatsächlich nur ein Machimi-Akt mit Schauspielern zur Unterhaltung der Touristen vorgeführt worden?
Djinana und Maigi ließen nicht lange auf sich warten. Sie halfen ihm aus den feuchten Kleidern und wollten wissen, wie das Frühstück mit der Aiji-Mutter gewesen sei. Auf die Touristen und das, was vorhin geschehen war, gingen sie mit keinem Wort ein.
Wo steckte Algini? fragte er sich. Gestern
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