Atevi 2 - Eroberer
verstehen, daß Sie jetzt lieber zu Bett möchten, aber der Aiji drängt auf eine Unterredung. Vielleicht kann ich ihn überreden, daß er zu Ihnen kommt.«
»In welcher Angelegenheit? Was ist passiert? Ich bin über den neuesten Stand der Dinge nicht informiert. Worum geht’s?«
»Um die anstehende Aussprache in Hasdrawad und Tashrid. Natürlich um das Raumschiff und um Nadi Deana.«
Bren wußte: Die Mitglieder von Hasdrawad und Tashrid waren zu einer Sondersitzung einberufen worden und erwarteten eine Erklärung des Paidhi. Aber er hatte gehofft, den Termin bis zu seiner vollständigen Genesung verschieben zu können. Klar war auch, daß ihm in seiner Vermittlerrolle noch nie soviel Verantwortung zugekommen war wie gerade jetzt nach dem Auftauchen des Raumschiffs im Orbit. Aber worin lag das Problem im Hinblick auf Deana Hanks?
»Der Aiji hat sich geweigert, mit dieser Hanks zusammenzukommen«, sagte Jago. »Er akzeptiert sie nicht als Ihre Stellvertreterin.«
Und Banichi sagte: »Statt dessen haben sich andere an sie herangemacht. Darüber will Tabini mit Ihnen reden. In einer Stunde, wenn es möglich ist.«
Bren glaubte nicht einmal genug Kraft übrig zu haben, um sich aus dem Sessel zu erheben. Doch der Gedanke daran, daß Hanks sein Paidhi-Amt in Beschlag nahm und – wie Banichi durchblicken ließ – mit gottweißwelchen Leuten zusammentraf, hinter dem Rücken des Aiji, ausgerechnet in dieser so entscheidenden Situation…
»Ja, ich muß schnellstens mit Tabini sprechen. Sofort«, sagte er, entschlossen, seine Schwäche zu überwinden, und daß er wußte, worauf es ankam, gab ihm die nötige Kraft dazu.
Auf das Schiff am Himmel, das den Vertrag gefährdete.
Und auf seine ehemalige Kommilitonin, die insbesondere in den Fächern Kultur und Psychologie ständig versagt hatte und nur darum zur Paidhi-Stellvertreterin aufgestiegen war, weil sich gewisse Kreise im Ministerium dafür stark gemacht hatten, und es war wahrscheinlich auch von eben dieser Ecke so eingefädelt worden, daß sie, die als blutige Anfängerin in dieser prekären Situation nur Unheil stiften konnte, daß ausgerechnet sie jetzt zum Einsatz gebracht wurde. »Ich werde Sie beim Aiji anmelden«, sagte Banichi.
3
Tabinis Wohnung, die gleich nebenan und im Zentrum der sieben historischen Residenzen der Burg lag, war für Bren kein fremdes Terrain. Er, der junge Paidhi, und der gleichaltrige Aiji – die beide ihr Amt gleichzeitig angetreten hatten, als Tabinis Vater gestorben und Wilson-Paidhi überraschend zurückgetreten war –, sie kamen hier in diesen Räumen häufig zusammen, privat und zu Gesprächen, die so heiter und unbeschwert waren, daß gewisse Kreise zu beiden Seiten der Meerenge Anstoß daran nahmen. Sie waren gleichermaßen sportbegeistert; Bren fuhr Ski, Tabini jagte. Eingespannt in strapaziöse, verantwortungsvolle Jobs, waren beide alleinstehend, doch er hatte Barb und Tabini hatte Damiri als Zuflucht, und sie tauschten ihre jeweiligen Geschichten untereinander aus.
Erst vor wenigen Tagen hatten sie gemeinsam Urlaub gemacht in Tabinis Landhaus bei Taiben. Sie waren in den Hügeln zusammen auf die Jagd gegangen, und Tabini hatte ihm mit der Flinte zu schießen beigebracht, was einem schwerwiegenden Vertragsverstoß gleichkam, denn auf dem Festland war einem Menschen das Tragen einer Waffe strikt verboten. Abends hatten sie am offenen Kamin des einsamen, friedlichen Landhauses gesessen, Pläne für den nächsten Tag geschmiedet und hoffnungsvoll über die Zukunft der Beziehungen zwischen Atevi und Menschen spekuliert: über ein gemeinsames Raumfahrtprogramm, über engere Handelskontakte und Kommunikation, wozu ein studentisches Computeraustauschprojekt den bescheidenen Anfang machen sollte.
Jetzt hielten sich die beiden im kleinen Salon neben dem Eingang zu Tabinis Residenz auf, während ihre Wachen im Foyer zurückblieben und Tee miteinander tranken. Bren war nie zuvor in diesem Raum gewesen, aber als Tabini gesehen hatte, in welchem Zustand sich der Paidhi befand, ließ er den kleinen Salon öffnen, damit, wie er meinte, der Paidhi keinen Schritt zuviel zu machen brauchte.
Es war ein gemütliches Zimmer. Eidi, ein belesener, verhältnismäßig schmächtiger Diener, der zur Sicherheitsmannschaft gehörte und, wie Bren vermutete, selbst lizensierter Assassine war, schenkte Tee ein und servierte bittersüße Waffeln.
»Danke, daß Sie gekommen sind«, sagte Tabini, alle Förmlichkeiten beiseite lassend.
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