Atevi 2 - Eroberer
vergangenen hundertachtundsiebzig Jahren gewesen ist… tja, das wäre wohl wichtig zu wissen. Vielleicht weiß der eine oder andere auf Mospheira Bescheid, ich jedenfalls nicht.«
»Haben Sie ein Vermutung, wo es gewesen sein könnte?«
»Ich weiß nur, was mir schon als Kind berichtet wurde, nämlich daß es wahrscheinlich auf die Suche gegangen ist nach Leitsternen zur Orientierung und Klärung der Frage, in welcher Ecke des Universums die Menschen gelandet sind.«
»Das ist leicht zu beantworten: Hier bei uns.«
»Für die da oben stellt sich das Problem sicherlich anders dar, Aiji-ma. Aber ich gestehe, daß ich mir selbst nie sonderlich viel Gedanken darüber gemacht habe. Die Aussicht auf eine Rückkehr des Schiffes war für mich völlig abwegig.«
»Aha. Und wie denkt man darüber an den politischen Schaltstellen auf Mospheira?«
Einen Aiji hatten solche Fragen eigentlich nicht zu interessieren. Abgesehen davon, daß Bren keine Antwort darauf wußte, war es ihm als Paidhi auch nicht gestattet, Informationen über innermospheische Angelegenheiten und laufende politische Debatten Auskunft zu geben, jedenfalls nicht offiziell.
»Tabini-ma, Sie wissen, daß ich dazu nichts sagen darf.«
Tabini nahm die Teetasse vom Tisch und balancierte das zerbrechliche Porzellan in den Fingern. Atevische Augen leuchteten wie Gold. Die von Tabini waren ein wenig wässrig. Manche behaupteten, daß sich das Unglück seines Vaters darin spiegelte. »Bren-ji, es sind große Veränderungen im Schwange, die nicht zuletzt das Verhältnis zwischen Ihnen, Mospheira und uns hier auf dem Festland betreffen, unabhängig davon, was wir dürfen oder nicht. Ich bin Realist genug, um zu begreifen, daß dieser Wandel unausweichlich ist. Und Sie werden mir doch wohl erlauben, den Paidhi, dessen Amt es ist, zwischen Menschen und Atevi zu vermitteln, zu Rate zu ziehen und zu fragen, in welche Richtung dieser Wandel geht.«
Es wurde so still im Raum, daß die Stimmen der Wachen im Foyer zu hören waren. Bren holte tief Luft. Er fühlte sich nicht angemessen vorbereitet auf dieses Gespräch, hatte er doch in den vergangenen Tagen vor lauter Schmerzen kaum Gelegenheit gehabt, seine Gedanken zu ordnen.
»Tabini-ma, dem Vertrag nach ist der Paidhi als ehrlicher Mittelsmann beiden Seiten verpflichtet.«
Tabini nahm einen Schluck aus der Tasse und sagte: »Ist nicht noch eine dritte Seite hinzugekommen? Zwischen wie vielen Seiten kann ein Paidhi ehrlich vermitteln?«
»Was soll ich sagen?«
»Eine Antwort darauf kann dem Paidhi doch nicht schwerfallen. Oder lassen Sie mich anders fragen: Hat Mospheira Kontrolle über das Schiff oder das Schiff über Mospheira?«
Bren spürte, wie ihm das Blut in Wallung geriet. Um nach Shejidan an Tabinis Seite zurückzukehren, hatte er buchstäblich sein Leben aufs Spiel gesetzt. Und es konnte nicht in seinem Sinne sein, sich mit Tabini anzulegen oder ihm etwas vorzumachen. Dazu war er allein seiner schlechten Verfassung wegen nicht in der Lage. Anstatt sich auf dieses Gespräch einzulassen, hätte er lieber noch eine Tablette gegen die Schmerzen genommen und sich zu Bett gelegt, wo er hingehörte.
»Nand’ Paidhi? Verlange ich denn zuviel, wenn ich Sie um eine Antwort bitte?«
»Meine Schulter ist gebrochen, Tabini-ma. Man hat mich einzuschüchtern und auszuquetschen versucht, um gegen Sie und Mospheira Front zu machen. Aber ich habe dichtgehalten. Und ich…« Er mußte die Tasse absetzen, seine Hände zitterten so. »Ich würde Ihnen und den Menschen auf Mospheira einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich mich dazu hinreißen ließe, über Dinge zu reden, von denen ich viel zu wenig verstehe. Ein schwadronierender Paidhi hat keinen Wert, am wenigsten für Sie, den weisen Aiji.«
»Oh, Sie schmeicheln, Bren-ji. Das ist doch sonst nicht Ihr Stil.«
»Im Ernst, Tabini-ma, der Wert eines Paidhi steht und fällt mit seiner Ehrlichkeit. Ich stehe zwischen den Lagern. Ich leite Ihre Botschaften an Mospheira weiter und berichte Ihnen, was dort nach reiflichen Überlegungen entschieden worden ist. Darüber hinaus habe ich nichts zu sagen, und ich werde mich hüten, eigene Spekulationen anzustellen. Zum Beispiel über das Auftauchen des Schiffs. Und bitte bedenken Sie, Tabini-ma, daß ich seit Tagen keine Informationen erhalten habe, daß ich unter Betäubungsmitteln stehe und immer noch nicht klar bei Sinnen bin. Unter diesen Umständen bleibt mir nur eine Orientierung, nämlich die, die durch den Vertrag
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