Atevi 2 - Eroberer
einen guten Eindruck zu hinterlassen. Sein Verhalten würde mit Sicherheit scharf beobachtet und zumindest im Kreis der Atigeini zum Thema gemacht werden. Es war darum nicht zuletzt im Interesse seiner Sicherheit geboten, daß er sich der gastgebenden Familie und dem Personal gegenüber tadellos benahm.
Eine silbern lackierte Doppeltür führte in die Privaträume der Lady, die zur Zeit nicht anwesend war. In der Bibliothek reichten die Bücherregale bis unter die Decke; der Schwerpunkt der exquisiten Sammlung lag, wie Bren sogleich bemerkte, auf Werken der Gartenbaukunst. Dann ging es durch einen Flur in einen kleinen, rundum gefliesten Altan mit freiem Blick auf Stadt und Berge. Prächtig geschnitzte Fenstertüren öffneten sich auf einen Balkon, den Banichi und Jago mit sichtlichem Unbehagen inspizierten und der offenbar, wie Bren vermutete, aus einer Zeit stammte, da es im Arsenal der Assassinengilde noch keine weitreichenden Feuerwaffen gegeben hatte.
Bren dachte voll Wehmut an seine alte Wohnung, an die Blumenbücher in der Bibliothek seiner Gastgeberin und daran, daß die Ärmste keinen Zugang zum Garten hatte und in ihrem abgeschirmten, streng bewachten Leben womöglich noch nie in den wunderschönen Lauben und Parkanlagen der unteren Ebene des Bu-javid gewesen war. Er nahm sich vor, sie einmal zum Dank für ihre Gastlichkeit in die unteren Hallen und Gärten zu führen, falls sich Gelegenheit dazu ergäbe.
Er war inzwischen so erschöpft vom langen Rundgang, daß er sich am liebsten an Ort und Stelle auf den Boden gesetzt hätte. Er hatte genug gesehen und war vollauf überzeugt, daß es ihm hier in seiner neuen Unterkunft an Sicherheit nicht mangelte. Dafür würden schon Banichi und Jago sorgen. Auch mit dem historischen Bett war er zufrieden. Besonders erfreulich fand er die Bibliothek und den Altan. Sicherlich gab es noch weitere Wunder zu bestaunen, aber fürs erste hatte er genug.
An der Tür zur Sonnenterrasse stand ein Sessel. Mit pochendem Herzen nahm er darin Platz und dachte mutlos an den weiten Rückweg in sein Schlafzimmer. Den zu bewältigen sah er sich kaum in der Lage.
»Nadi Bren?« sagte Jago, und Saidin blieb zögernd in der Tür stehen.
»Ein schöner Sessel«, sagte er und strich über die gepolsterte Armlehne. »Sehr bequem. Hier läßt sich bestimmt gut arbeiten. Bitte richten Sie Lady Damiri meinen herzlichen Dank aus dafür, daß ich hier wohnen darf. Ich würde es ihr gern selbst sagen, furchte aber, daß ich heute zu einer förmlichen Begrüßung nicht mehr imstande bin. Und bitte…« – selbst das Sprechen fiel ihm schwer – »bitte teilen Sie Tabini-Aiji mit, daß ich mich morgen bei ihm melden werde. Heute schaff ich’s nicht mehr. Ich muß ins Bett. Und könnten Sie vielleicht dafür sorgen, daß mir mein Computer gebracht wird?«
»Selbstverständlich«, antwortete Banichi. Er, Jago und Saidin standen wie eine schwarze Wand vor ihm, eine geschlossene Front aus Effizienz und Höflichkeit. »Übrigens, wir beziehen die Zimmer, die gleich neben Ihrer Wohnung liegen, und sind rund um die Uhr für Sie da. So auch Tano, der im Quartier der Wachen untergebracht ist. Er ist soeben mit Ihrem Koffer eingetroffen. Ihre Sachen finden Sie dann eingeräumt in der Kommode. In ein, zwei Tagen, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird, kommt auch Algini.«
»Ich hoffe, er hat nichts Ernstes.«
»Ein paar Schnittwunden und Prellungen. Kaum der Rede wert.«
»Das freut mich«, sagte Bren. Er hob beide Hände an den Kopf und starrte geradeaus, um das kreisende Bild vor Augen zu fixieren. »Und vielen Dank auch, daß Sie mich vom Flughafen abgeholt haben.«
»Keine Ursache«, sagte Banichi. »Seien Sie unbesorgt. Wie gesagt, Jago und ich werden stets in Ihrer Nähe sein.«
»Gut zu wissen.« Er fragte sich, wie es Banichi schaffte, auf den Beinen zu bleiben, aber hartgesotten, wie er war, ließ er sich die schwere Verletzung am Fuß kaum anmerken.
»Nadi Bren?«
Ihm schwirrte der Kopf. Er schloß die Augen und atmete tief und gleichmäßig durch. Warum bloß all diese außergewöhnlichen Sicherheitsmaßen? fragte er sich unablässig. »Nadiin«, er wollte es endlich genau wissen, »was ist eigentlich los? Bin ich so sehr bedroht, gibt es Probleme?«
»Sowohl als auch«, antwortete Jago.
»Wegen des Raumschiffs?«
»Unter anderem«, sagte Banichi. »Es tut mir leid, aber Sie müssen unbedingt heute noch Tabini sprechen, so schnell wie möglich, nand’ Paidhi. Ich kann ja
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