Atevi 2 - Eroberer
Gebiet.
»Nein«, schaltete sich Banichi ein. »Aber wie man sich denken kann, bleiben über einen so langen Zeitraum Streitigkeiten um die Verteilung von Ländereien nicht aus, und im Zuge solcher Streitigkeiten hat es wechselnde Bündnisse gegeben.«
»Im Grunde geht es dort recht friedlich zu«, meinte Jago. »Es gibt allerdings manche ungelösten Konflikte, die in allgemeinen Krisenzeiten virulent werden.«
»Und damit wäre wohl jetzt zu rechnen«, sagte Bren.
»Bevor die Menschen zu uns kamen, war das Padi-Tal in fünf große Besitztümer aufgeteilt. Traditionsgemäß stammte jeder Aiji der Ragi von einem dieser fünf Häuser ab. Dort versammelte sich alle Macht.«
»Dann kamen die Menschen und der Krieg.« An der Stelle konnte Bren mit seinen Geschichtskenntnissen wieder einsteigen. »Tabinis Haus machte den Friedensvertrag möglich, indem es seine Ländereien an die Vertriebenen von Mospheira verschenkte.«
»Im Familienbesitz blieb nur das Grundstück von Taiben«, ergänzte Banichi.
»Die Güter der Atigeini sind nicht weit entfernt.«
»Eine halbe Flugstunde«, sagte Banichi.
»Ob von dort Schwierigkeiten zu erwarten sind?«
»Das stellt sich bald heraus. Die große Frage ist, wie sich der alte Tatiseigi verhalten wird.«
»Oder Ilisidi«, sagte Jago.
»Was ist mit ihr? Wissen Sie, wo sie sich aufhält? Wohin ist sie gereist?«
»Bis gestern abend war sie noch in Taiben. Aber Tabini hat sie fortgeschickt. Wir vermuten, daß sie jetzt in Masiri ist, zu Gast bei den Atigeini.«
»Verflucht!« entfuhr es Bren.
»Damit hat Tabini natürlich gerechnet«, sagte Banichi.
»Will er denn seine Gegner herausfordern?« »Vielleicht will er, daß sie sich unter einem Dach versammeln.«
Was da wohl ausgeheckt wurde? dachte Bren. Er hatte den Fremden vom Schiff ausgeredet, auf Mospheira zu landen. Jetzt landeten ihre Vertreter mitten im Dickicht atevischer Intrigen.
Und die Atevi, denen er am meisten vertraute – obwohl ihn als Paidhi allein schon dieses Wort alarmieren mußte –, hatten ihm nahegelegt, der Schiffsbesatzung Taiben als Landeplatz zu empfehlen. Von den heiklen Beziehungen und Bündnissen der dort ansässigen Häuser, den regionalen Strukturen überhaupt, war bislang kaum die Rede gewesen, auch nicht damals -Himmel, wie lange war das her –, als er sich dort mit Tabini zur Freizeit und Jagd aufgehalten hatte.
Der Mikrokosmos atevischer Bündnisstrukturen war kein Thema für einen Paidhi. Darüber um Auskunft zu bitten, gehörte sich einfach nicht, und was ihm von seiten der Atevi in dieser Hinsicht mitgeteilt wurde, war mit Vorsicht zu genießen, weil voller Halbwahrheiten und Klatsch.
Daß die Verbände, die sich im Padi-Tal gebildet hatten, zu den ältesten der atevischen Geschichte zählten, konnte ihn allerdings nicht überraschen, denn er wußte, daß sich die Archäologie – eine neue, von den Menschen übernommene Wissenschaft – seit kurzem für diese Gegend interessierte und mit ihren Grabungen Wahrheiten zu Tage zu fördern versuchte, die nach dem Willen aller früheren Aijiin niemals ans Licht kommen sollten.
»Es hat dort viele Kriege gegeben«, sagte Jago. »Sehr viele. Dennoch, Wehranlagen wie Malguri gab es nicht. Die Ragi waren immer stolz darauf, daß sie es nicht nötig hatten, sich hinter Mauern zu verschanzen.«
»Taiben war stets im Besitz der väterlichen Linie Tabinis«, sagte Banichi. »Seine unmittelbaren Vorfahren mütterlicherseits kommen aus den Ostprovinzen.«
»Von Malguri«, konkretisierte Jago.
»Das sich – um die lange, blutige Geschichte kurz zu machen – im Zuge der Heirat von Tabinis Großvater mit dem Padi-Tal zusammenschloß. Während alle Nachbarhäuser regional beschränkt blieben, hat Tabinis Familie durch diesen Zusammenschluß an Einfluß enorm dazugewonnen.«
»Das heißt also, ein anderer Aiji als Tabini könnte den Osten nicht halten«, folgerte Bren. »Sie übersehen da eine Person«, entgegnete Banichi. »Ilisidi.«
»Ja«, antwortete Banichi. »Aber zu ihrem Leidwesen entscheidet nicht mehr das Tashrid über den Nachfolger, sondern das Hasdrawad, und dessen Abgeordnete wollen sie nicht. Ausgelöst wurde diese Reform der Aiji-Wahl durch den Vertrag. Die Lords sind regelrecht überrumpelt worden.«
»Von den ökonomischen Veränderungen, die der Vertrag mit sich gebracht hat, profitierten vor allem die Abgeordneten. Sie sind unabhängig geworden und wissen dies zu nutzen. Früher haben die Padi-Lords allein über die
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