Atevi 2 - Eroberer
verläßlichen Informationsquellen wissen wir, daß bedrohliche Schwierigkeiten auf uns zukommen.
Wo Hanks versteckt gehalten wird, ist leider noch nicht geklärt. Wir vermuten jedoch, daß man sie an einen Ort nahe bei Taiben verschleppt hat, denn dort in dieser Gegend konzentrieren sich die Verschwörer, und die werden sich bis auf weiteres davor hüten, ihren Verbündeten, die woanders ansässig sind, das Risiko einer Entdeckung aufzubürden.
Es ist anzunehmen, daß Hanks schon vor der Tat mit ihren Entfiihrern in Beziehung gestanden hat. Sie scheint auch jetzt noch relativ frei agieren zu können. Banichi hat eine Tonbandkopie mit der Aufzeichnung einer Funkverbindung, die wir mitgeschnitten haben. Bitte versuchen Sie, sich ein Bild davon zu machen.
Banichi reichte ihm das Band, und Jago brachte einen Recorder, den Bren an seinen Computer anschließen konnte. Brens Befürchtung bestätigte sich: Deana hatte nicht etwa mit dem Schiff Kontakt aufgenommen, sondern mit Mospheira. Die anfänglichen Steuersignale erwiesen sich als ihr Zugriffscode, der Mospheiras elektronische Schranken zerschnitt wie ein Messer, das durch Butter geht. Die gefunkte Textdatei war, wie erwartet, verschlüsselt. Beim dritten Dechiffrierversuch rollte lesbar der Text über seinen Bildschirm.
Cameron ist übergelaufen und hat – unter nicht spezifizierter Gewaltandrohung – die Vertreter des Schiffs zur Landung auf atevischem Hoheitsgebiet genötigt. Ich wurde unter Hausarrest gestellt und mußte von vertrauenswürdigen Informanten erfahren, daß mir ein Mordanschlag droht. Die Strategie, die der Aiji verfolgt, ist klar erkennbar: Er will den Einfluß der Provinzlords beschneiden und alle Schlüsselbereiche der Wirtschaft unter seine Kontrolle bringen, um auf Kosten der Regionen und rechtmäßigen Eigentümer seine Zentralmacht zu festigen.
Cameron leistet dabei gute Dienste, ob bewußt oder unbewußt, sei dahingestellt. Er rechtfertigt die Monopolisierungsabsichten des Aiji und hat ihm den Handelsboykott gegen Mospheira als taktische Maßnahme empfohlen. Unlängst reiste er in geheimer Mission zu einem entlegenen Observatorium und brachte von dort den mathematischen Beweis für die Gültigkeit der Warp-Raum-Theorie mit, der, wie ich vermute, nicht das Ergebnis atevischer Wissenschaft ist, sondern gesetzwidrig beschafft wurde aus einem unserer Forschungsinstitute. Mit diesem Beweis versucht er nun jene konservativ-religiösen Kreise zu verunsichern, die sich bislang als stärkste politische Gegenkraft zu Tabini haben behaupten können.
Ich halte mich zur Zeit versteckt und werde beschützt von Personen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um der Machtgier des Aiji Einhalt zu gebieten. Es ist nach meinem Dafürhalten dringend erforderlich, daß der Vertreterin des Schiffes die hiesigen Verhältnisse unmißverständlich klargemacht werden, sobald sie Mospheira erreicht – was noch fraglich ist. Wie mir zutragen wurde, ist damit zu rechnen, daß der Aiji sie umbringen lassen und der Opposition die Schuld daran zuschieben könnte.
Ich empfehle dringend, Cameron zurückzurufen, seines Amtes zu entheben und vor Gericht zu stellen. Dort würde darüber zu befinden sein, ob er nur fahrlässig oder aber gezielt zum Nachteil und Schaden Mospheiras gehandelt hat. Ich selbst möchte mir darüber kein Urteil erlauben.
Weil mein Leben in Gefahr ist, bin ich gezwungen, von Ort zu Ort zu ziehen, um mein Versteck zu wechseln. Ich bitte darum, meiner Familie mitzuteilen, daß ich momentan in Sicherheit bin und von Personen beschützt werde, die für Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung kämpfen.
Bren sagte nichts und verzog keine Miene. Er stützte den Ellbogen auf die Armlehne, preßte die Knöchel vor den Mund und dachte nach, ließ das Band zurücklaufen und las den Text noch einmal, in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu finden, der darauf schließen ließ, daß Hanks diese Nachricht unter Zwang aufgesetzt hatte. Doch er suchte vergeblich.
Er las den Text ein drittes Mal, um Duktus und Inhalt kritisch zu prüfen, versuchte, seine emotionalen Reaktionen darauf auszublenden und fragte sich ernsthaft, ob Deana mit ihren Vorwürfen und Unterstellungen womöglich annähernd Recht haben könnte. Ob Tabini vielleicht wirklich die gegenwärtige Krise zu nutzen versuchte, um seine politischen Gegner kaltzustellen.
Nein, verdammt, ›Machtgier‹ – das paßte nicht zu Tabini, dem Aiji, der sich stets nachsichtig und konziliant zeigte, wie
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