Atevi 2 - Eroberer
Frau nach wie vor gut leiden.
Lizensierte Mitglieder der Gilde hatten bestimmt ganz besondere Qualitäten. Welche, das wußte er nicht, doch gemein schien all denen, die er kannte, eine außerordentlich große Portion an Integrität zu sein, eine innere Festigkeit, die sich durch nichts erschüttern ließ.
Als sich Jago ihm auf jene bislang beispiellose Art genähert hatte, war er vielleicht deshalb so sehr in Panik geraten, weil er ihre Integrität gefährdet sah.
Doch Jago hatte keinerlei Bedenken gezeigt, was gar nicht zu ihr zu passen schien – wenn man fälschlicherweise menschlich moralische Maßstäbe zugrunde legte.
Verflixt, dachte er und ärgerte sich darüber, wieder einmal bei diesem Thema angelangt zu sein, obwohl er doch im Moment, weiß Gott, andere Probleme hatte.
Das Flugzeug raste die Startbahn entlang, hob ab und klappte das Fahrwerk ein. Bren sah die Dächer der Stadt im steilen Winkel unter sich weggleiten. In dieser Nacht zum wiederholten Male durch unzeitgemäßen Düsenlärm aus dem Schlag geweckt zu werden, mußte bestimmt, wie Bren dachte, so manche Leute da unten skeptisch stimmen. Vielleicht ahnten sie auch, daß diese Sonderflüge in Beziehung zu bringen waren mit der jüngsten Krise, mit dem fremden Schiff am Himmel. Atevi wußten zwei und zwei zusammenzuzählen.
Die Maschine kletterte auf eine Höhe jenseits der regulären Verkehrslinien. Die aufgehende Sonne bot ein prächtiges Schauspiel. Doch dafür hatte Bren momentan keinen Sinn. Seiner Stimmung entsprach viel eher die graue Wolkendecke in der Tiefe. Das unwirkliche Lichtspiel am Horizont mit seinen hellroten, goldenen Farben weckte nur trügerische Hoffnung.
Jago stand auf, um, wie sie sagte, Fruchtsaft zu holen.
»Und eine Kleinigkeit zu essen, bitte«, rief ihr Bren nach. Er hatte noch nicht gefrühstückt, und vielleicht war es der Sonnenaufgang, der ihm Appetit machte.
Wenig später kehrte sie zurück mit einem Teller voll duftender, noch warmer Biskuitrollen, genug, um einen eßfreudigen Ateva satt zu machen. Ihm reichte eine, dazu Tee und Fruchtsaft, die, wie er sicher sein konnte, auch für ihn bekömmlich waren.
»Danke«, sagte er und fand, daß nun alles endlich so war, wie er es immer haben wollte: Frühstück im Kreis seiner Leute. Nur Algini und Tano fehlten, die noch mit ihren Ermittlungen beschäftigt waren, aber Banichi hatte wissen lassen, daß sie bald nachkommen würden.
Doch er wurde die Gedanken an Hanks nicht los; ihm war angst und bange angesichts der bedrohlichen Konsequenzen, die der Anschlag heraufbeschworen hatte. Die eingeleiteten Sicherheitsmaßnahmen waren von bislang beispiellosem Umfang. In Taiben stand ein halbes Bataillon von schwerbewaffneten Gardisten in Alarmbereitschaft. Und nicht zuletzt die vielen Blumen und Grußkarten zeugten vom Ernst der Lage. Nach dem Anschlag im Plenarsaal war dem Paidhi längst nicht so viel Aufmerksamkeit entgegengebracht worden. Die Leute schienen sehr deutlich zu spüren, was die Stunde geschlagen hatte.
»Was meinen Sie?« fragte er. »Ob die Rebellen versuchen werden, die Landung zu sabotieren?«
»Wir müssen mit allem rechnen, was dem Aiji schaden könnte«, antwortete Jago. »Also auch mit einem Angriff auf Taiben.«
»Gerichtet gegen Tabini? Oder gegen das geplante Joint-venture mit den Fremden aus dem All?«
»Sowohl als auch. Mir wäre wohler zumute, wenn man für die Landung einen anderen Ort ausgewählt hätte. So kommen wir den Verschwörern nicht nur buchstäblich, sondern auch im übertragenen Sinne entgegen. Direiso und Tatiseigi residieren in der Nachbarschaft.«
»Aber warum stand Taiben auf der Liste, wenn jeder andere Ort geeigneter wäre?«
»Diese Gegend hat auch ihre Vorteile, verkehrstechnische und logistische. Die Nähe zum Gegner bedeutet eben auch, daß wir schnell erkennen können, was er vorhat.«
»Aber Sie haben doch einen ganz konkreten Anlaß zur Sorge, oder?«
»Da ist ein Verband, der sehr einflußreich ist und uns zu denken gibt«, sagte Jago.
»Läßt sich der geographisch eingrenzen?« fragte Bren, obwohl er wußte, daß es für Außenstehende kaum möglich war, die Reichweite und Komplexität eines atevischen Verbandes zu überblicken.
»Nand’ Paidhi, in der Gegend rund um Taiben liegen etliche sehr alte, sehr vornehme Besitzungen, zwischen denen es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu Reibereien gekommen ist.«
»Sie meinen: Fehden.« Es war vom Padi-Tal die Rede, einem sehr geschichtsträchtigen
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