Atevi 2 - Eroberer
vorbereitete. Und mit ihm, dachte Bren, würden wohl auch Tano und Algini kommen. Von der friedlichen, heimeligen Atmosphäre, die er bei seiner Ankunft hier empfunden hatte, war nichts übrig geblieben. Schwerbewaffnete Gardisten mit schußsicheren Westen eilten vom Bahnsteig ins Haus, darunter auch Tano und Algini, uniformiert wie die anderen. Sie trugen ihr persönliches Gepäck und Metallkoffer, die, wie Bren vermutete, elektronische Geräte zur Überwachung und Kommunikation enthielten.
Falls Saidin ein den Atigeini dienendes Gildenmitglied dem mitgereisten Personal zugeordnet hatte – woran Bren keinen Moment lang zweifelte –, so war es als solches nicht zu identifizieren. Es konnte jede sein aus der Gruppe der Frauen, die auf leisen Sohlen daherkamen und sich nur flüsternd miteinander unterhielten.
Damiri selbst war im Bu-javid zurückgeblieben, oder? fragte sich Bren plötzlich, alarmiert.
Im Bu-javid, wo ihr Leben nicht mehr sicher wäre, wenn ihre Familie beschlösse, in Taiben gegen Tabini vorzugehen. Atevi machten keine Gefangene. Und obwohl sie wissen mußte, in welcher Gefahr sie schwebte, war Damiri anscheinend freiwillig im Bu-javid geblieben.
Taktik und Intrige würden, wie zu fürchten war, den weiteren Verlauf der Dinge entscheidend mitbestimmen, heimliche Manöver, die er als Mensch nicht auszurechnen vermochte, weil er allzuwenig verstand von der Komplexität der Verbandesstrukturen, der Hierarchie von Man’chi-Beziehungen. Zwar führten das Auswärtige Amt und die Universität von Mospheira peinlich genau Buch über die Genealogien atevischer Adelsgeschlechter und über Hinweise auf individuelle Abhängigkeiten und Verpflichtungen, aber all diese Erkenntnisse halfen nicht weiter, wenn es zum Beispiel darum ging, die Ursprünge oder das Zustandekommen von Man’chi-Beziehungen zu klären. Ein Rätsel blieb auch das Wesen der Dienstpflicht, das Man’chi von Dienern oder Leibwächtern.
Auf alle seine Versuche, durch Beteuerung seiner Loyalität selbst Anschluß an ein Man’chi zu finden, hatte er nur abschlägige Bescheide erhalten. Auch die Bereitschaft, sich für den anderen aufzuopfern, führte nicht zu der gewünschten Beziehung, was ihm durch Cenedi unmißverständlich klargemacht worden war. Und Banichi hatte verärgert reagiert auf sein Geständnis, daß er sich ihm und Jago in Man’chi verbunden fühle. Daß ihm Banichi, wie es schien, ein erotisches Interesse unterstellte, war ihm nach wie vor schrecklich peinlich und beispielhaft für die Mißverständnisse, die es zwischen ihnen immer wieder gab.
Nein, weder er noch seine Vorgänger im Amt hatten die verborgenen Man’chi-Bezüge aufdecken, geschweige denn entwirren können. Vielleicht wurden sie von einer Generation an die nächste vererbt; vielleicht war mitunter auch persönliche Attraktion im Spiel, oder womöglich kamen sie dadurch zustande, daß sich hohe Vertreter des Adels hinter verschlossener Tür zusammensetzen und Verträge aushandelten, Angehörige und Lehnsleute auf sich einschworen oder aus der Dienstpflicht entließen – nach Regeln, die er nicht kannte und aus denen Atevi ein Geheimnis machten. Als er einmal Jago danach gefragt hatte, wem ihr Man’chi gelte, hatte sie ihm mit knappen Worten zu verstehen gegeben, daß er sich doch lieber um seine eigenen Angelegenheiten kümmern möge. Solche Fragen zu stellen gehörte sich einfach nicht.
Die Dienstboten hasteten durchs Haus, legten im Wohnzimmer letzte Hand an, um für Ordnung zu sorgen, fegten vorm Kamin Asche weg und steckten die Blumen in den Vasen zurecht.
Tabini achtete auf all das nicht, als er zur Tür hereinkam und mit strahlender Miene ausrief: »Ah, Bren-ji, schön Sie zu sehen! Gab’s irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Nein, Aiji-ma. Flug und Bahnfahrt hierher sind angenehm verlaufen.«
»Bleiben Sie doch sitzen«, sagte Tabini, nahm selber Platz und legte die Füße auf den Fußschemel. An Naidiri gewandt und in weniger heiterem Tonfall: »Kümmern Sie sich darum, Naidi.«
Bren hatte Lust, sich auf sein Zimmer zurückzuziehen. Aber Tabini war auf Gesellschaft bedacht und schlug vor zu würfeln, ein Spiel, das, anders als Darts, auch einem Menschen gleiche Chancen einräumte. Er legte den Einsatz fest – einen Penny pro Punkt – und bestimmte, wer außerdem noch mitzuspielen hatte, damit die Runde komplett war: Eidi, sein Leibwächter, und zwei junge Dienerinnen, die zufällig in der Nähe waren, sich anfänglich sträubten und meinten,
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