Atevi 2 - Eroberer
ziehen, daß sie den Wünschen ihres Onkels womöglich näher steht, als Tabini lieb sein kann. Und das meine ich ganz ehrlich, Paidhi-ji.«
Endlos breitete sich dichter Wald vor dem Fenster aus. Bei genauem Hinsehen war in der Tiefe eine doppelspurige Eisenbahnstrecke auszumachen, die den Flughafen mit der Ortschaft von Taiben und den vier anderen Besitztümern im Tal verband, unter anderem auch das Haus der Atigeini. Bren hatte den törichten Einfall, gleich nach der Landung den Atigeini einen Besuch abzustatten. Sie würden ihn bestimmt höflich empfangen; er könnte mit Ilisidi zu Mittag essen und anschließend nach Taiben weiterfahren. Aber was würden wohl Banichi und Jago auf der einen und Cenedi auf der anderen Seite von einem solchen Zusammentreffen halten? fragte er sich. Wie mochte ihnen, die aus ein und derselben Gilde stammten und in Malguri noch gemeinsam gekämpft hatten, zumute sein in diesem von Narren und ehrgeizigen Lords geschürten Konflikt, der sie nun zu Gegnern machte und für sie persönlich überhaupt keinen Sinn ergab?
Und so war er nach der Landung erleichtert darüber, weder Cenedi noch einen seiner Leute am Flughafen anzutreffen, und froh, sich darauf verlassen zu können, daß Tabinis Sicherheitskräfte schon im Vorfeld der Gefahr eines Bombenanschlags oder Hinterhalts auf der Bahnstrecke nach Taiben begegnet waren. Alle erkundigten sich nach dem gesundheitlichen Befinden des Paidhi und fragten, ob er einen angenehmen Flug gehabt habe, was Bren lächelnd bejahte.
Den Sicherheitskräften selbst war hier gewiß keine angenehme Zeit vergönnt gewesen; sie hatten Ilisidi ausquartieren müssen und die ganze Nacht über bestimmt kein Auge zugemacht, was ihnen anzusehen war. Sie wirkten erschöpft, sehnten sich wahrscheinlich danach, endlich ausruhen zu können. Darum verzichtete er darauf, sie mit seinen Fragen zu behelligen und bestieg den antiquiert anmutenden Zug, der sich gleich darauf klirrend und klappernd in Bewegung setzte.
Die Fahrt schien kein Ende nehmen zu wollen. Wer Taiben besuchte, nahm sich normalerweise viel Zeit.
Er dachte an die bevorstehende Landung, daran, daß wohl in diesem Augenblick die letzten Vorbereitungen dafür getroffen wurden. Womöglich war der Schlepper auch schon unterwegs, der die Kapsel in die Atmosphäre zu schleudern hatte. Bren wußte nicht, wie lange ein solches Manöver dauern mochte.
Und er dachte an Deana Hanks, an ihre Erklärungen, die zum Teil durchaus plausibel klangen und nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen waren – was ihn besonders ärgerlich machte. Er hatte sie um Hilfe gebeten und ihr atevische Quellen erschlossen, und alles deutete darauf hin, daß sie sein Entgegenkommen vorsätzlich mißbraucht hatte und mitverantwortlich war für den Tod zweier Männer.
Er war wütend, fühlte sich betrogen und verspottet in seiner irrigen Einschätzung, was Hanks betraf, in seiner vermeintlichen Menschenkenntnis. Er hatte Banichi weismachen wollen, daß sie am Telefon überrumpelt worden war und ihre Wachen zu warnen versucht hatte…
Er war ihr auf den Leim gegangen, hatte ihr abgenommen, daß sie gekommen war, um sich auf die Suche nach ihm zu machen – er hätte sich an ihrer Stelle schließlich genauso verhalten; doch diese Suche war nur ein verdammter Vorwand gewesen, um Kontakt zu Tabinis Gegnern aufnehmen zu können, um Unruhe zu verbreiten und Streit zu schüren, was ihr auch vortrefflich gelungen war, bedachte man, in welche Situation sie Lord Geigi gebracht hatte, ausgerechnet Geigi. Wie dieser hatte sich auch er, Bren, von ihr einwickeln lassen und sich trotz aller Bedenken gegen sie eingeredet, daß sie von Nutzen sein könnte.
Wenn es jetzt nicht zur Landung käme, wenn sich das Schiff am Ende doch gegen eine Kooperation mit den Atevi entscheiden würde, dann könnten sich ihre Freunde auf Mospheira, nicht zuletzt auch so manche Vertreter des Tashrid die Hände reiben; genau darauf waren sie aus: die Radikalen auf beiden Seiten. Diese Gefahr hatte Bren zwar vorausgesehen, aber für unwahrscheinlich gehalten, daß Hanks einer solchen Entwicklung den entscheidenden Anstoß würde geben können. Im Gegenteil, er hatte darauf gehofft, daß sie allmählich und mit der Zeit Verständnis für die Atevi entwickeln und ihren menschlichen Chauvinismus ablegen würde.
Er dachte an den Geschichtsunterricht auf Mospheira; ja, den Schülern wurde beigebracht, daß das Padi-Tal »die Wiege« des Westbundes sei, daß von dort alle
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