Atevi 2 - Eroberer
einer Beruhigung sprechen. Es könnte allerdings jederzeit wieder losgehen, denn es sind beileibe nicht alle Rebellen auf unsere Seite gewechselt, und wahrscheinlich wird der eine oder andere von ihnen mit Freuden bereit sein, Sie oder mich mit einer Kugel aus dem Weg zu räumen. Ich vermute, daß meine Großmutter mit Ihnen zu sprechen wünscht. Bitte berücksichtigen Sie ihre Beziehung zu den Rebellen. Sie haben eine so offenherzige, arglose Art.«
»Ich werde mich vorsehen.«
»Ja, tun Sie das. Und bedenken Sie, es gibt etliche Leute, die den Paidhi allzugern zum Schweigen bringen würden.«
»Ist inzwischen eine Mordabsicht erklärt worden?«
»Nein. Aber ich will Ihnen folgendes sagen, Nadi: Vielleicht irre ich mich, aber ich fürchte, daß Ihnen aus Mospheira Gefahr droht. Und wenn ich richtig informiert bin, gibt es auf der Insel kein Gesetz, das eine Absichtserklärung zwingend vorschreibt.«
Intrige und Verrat, ja, aber nie würde Bren einen Mordanschlag aus Mospheira für möglich halten.
Gewaltanwendung war außerdem nicht nötig, um ihn zum Schweigen zu bringen. Bren hatte allen Grund besorgt zu sein über die Anwesenheit seiner Stellvertreterin auf dem Festland.
»Tabini-ma, ich halte es für ausgeschlossen, daß Mospheira mich los sein will. Das würden nicht einmal meine entschiedensten Gegner wollen, insbesondere jetzt nicht, da sich der Aiji erklärtermaßen weigert, mit Hanks zusammenzuarbeiten…« Er wußte nicht, wie ihm geschah. Ihm wurde plötzlich schwarz vor Augen. Die Tasse, die er in den Händen gehalten hatte, fiel zu Boden, blieb zum Glück heil, aber der Tee versickerte im kostbaren Teppich. Entsetzt langte er nach der Serviette und warf sie auf den Fleck, bückte sich, um aufzuwischen.
Doch schon war Eidi zur Stelle. Er hob die Tasse auf und machte sauber.
»Verzeihen Sie«, stammelte Bren verlegen.
»Es ist doch nur der Teppich, Bren-ji.« Mit einem Schlenker aus dem Handgelenk schickte er Eidi zurück. »Hören Sie mir noch einen Moment lang zu. Bitte, informieren Sie sich so schnell wie möglich über den Stand der Dinge. Ich will, daß Sie vor die Vollversammlung treten und eine Erklärung abgeben über die Fremden am Himmel und übersetzen, was zwischen Mospheira und dem Schiff kommuniziert wird. Machen Sie den Spekulationen ein Ende. Und dann möchte ich, daß Sie dem Schiff mitteilen, was wir, die Atevi, zu sagen haben. Dazu brauche ich Sie, Bren-ji. Sind Sie einverstanden?«
»Ich… ich bin nicht bevollmächtigt, mit dem Schiff Kontakt aufzunehmen, Aiji-ma. Ohne Rücksprache darf nicht einmal ich als Übersetzer eingeschaltet werden. Es wäre mir lieber…«
»Ich bevollmächtige Sie, Bren-ji. Der Auftrag des Paidhi ist vertraglich festgelegt. Er dolmetscht und vermittelt zwischen Atevi und Menschen. Das ist ein Kernstück des Vertrags. Und ich bestehe auf dessen Einhaltung, nicht mehr, nicht weniger. Daß mir Ihr Büro einen zweiten Paidhi geschickt hat, ist ein klarer Verstoß. Das kann ich nicht gelten lassen. Ich fordere Sie deshalb auf, mit dem Schiff Kontakt aufzunehmen und ihm wortgetreu unsere Ansichten auseinanderzulegen.«
»Tabini-ma, ich muß darüber nachdenken, wozu ich aber im Moment nicht in der Lage bin. Ich kann Ihnen jedoch versprechen…«
»Ich habe von Mospheira verlangt, daß man Sie nach Shejidan zurückschickt, und es wird Ihren Vorgesetzten klar sein, daß ich Ihre Dienste in Anspruch nehme. Wären die nicht einverstanden damit, hätten sie Sie doch nicht gehen lassen, oder?«
»Aber ich weiß nicht, ob ich dazu fähig bin, ob ich die Sprache der Schiffsbesatzung in allen Nuancen korrekt verstehe und übersetzen kann. Bedenken Sie, nach fast zweihundert Jahren wird sich sprachlich vieles verändert haben, vor allem in semantischer Hinsicht…«
»Papperlapapp. Der Bund befindet sich in einer schweren Krise. Es muß unverzüglich gehandelt werden. Wir können es uns nicht leisten, darauf zu warten, daß Sie sich vorbereiten. Kommen Sie mir nicht mit linguistischen Haarspaltereien. Ich stehe vor ganz anderen Problemen. Es geht um Leben und Tod.«
Bren mußte ihm recht geben. Jede Verzögerung käme teuer zu stehen. Er mochte gar nicht darüber nachdenken; auch durch Grübelei ging wertvolle Zeit verloren. »Tabini-ma, lassen Sie mir bitte Zeit bis morgen. Ich will mir die Funkaufzeichnungen anhören.«
»Bren-ji, Sie müssen verstehen: Es gibt kaum etwas Gefährlicheres als blinder Aktionismus, eine Politik ohne hinreichende
Weitere Kostenlose Bücher