Atevi 2 - Eroberer
sein.
Immerhin war ihm an diesem Tag auch noch ein Lichtblick vergönnt. Die Sicherheitszentrale des Bu-javid meldete, daß Tanos launischer Partner mit der U-Bahn angekommen sei, ›mit einem Haufen Gepäck‹, wie es hieß. Weil weder Banichi noch Jago zugegen waren, wußte man in der Zentrale nicht zu entscheiden, ob Algini in den sensiblen Sicherheitsbereich des dritten Stocks vorgelassen werden durfte oder nicht.
Um persönlich darüber zu befinden, mußte Tabini aus einer Ausschußsitzung herausgerufen werden. Eine Stunde später stand Algini dann im Foyer, bandagiert und mit verpflasterten Wunden im Gesicht; statt der Uniform trug er bequeme Kleider wie für eine Wanderung durch die Berge. Saidin war merklich verstört über sein Erscheinungsbild wie auch angesichts der zahlreichen Gepäckstücke, die von Hausangestellten herbeigeschafft wurden. Kein Wunder, daß die Sicherheitsbeamten stutzig geworden waren.
Vor Freude darüber, Algini wiederzusehen, ließ sich Tano dazu hinreißen, seinem Partner auf die Schulter zu klopfen. Ob Tano ähnlich fühlte, wie Bren an seiner Stelle fühlen würde, war zwar fraglich, und doch…
Die beiden zeigten kameradschaftliches Einvernehmen, ja, sie ließen sogar durchblicken, daß sie so etwas wie Zuneigung füreinander empfanden, und ihm wurde wieder einmal schmerzlich bewußt, daß er auf ähnliche Äußerungen von Seiten Tabinis wohl vergeblich hoffte, auf ein Zeichen, das zum Ausdruck brachte: Komme, was wolle, wir halten fest zusammen; nicht nur, weil es gerade opportun ist.
Er hatte Tabini reinen Wein eingeschenkt, ihm sein Wissen um die Vorgänge auf Mospheira haarklein auseinandergelegt, mit anderen Worten: sich über seine Schweigepflicht hinweggesetzt, und zwar in einem Maße, das fast den Tatbestand des Landesverrats erfüllte. Tabini konnte nicht übersehen haben, daß der Mitteilungsbereitschaft des Paidhi nicht zuletzt ein emotionales Bedürfnis zugrunde lag, doch darauf hatte er mit keinem Wort, mit keiner Geste geantwortet. Nicht einmal ein Dankeschön war von ihm zu hören gewesen oder die Zusicherung, daß er von den Informationen vernünftigen, konstruktiven und friedfertigen Gebrauch machen werde.
Das Gefühl des Alleingelassenseins bewegte ihn um so mehr, da er nun – einem Voyeur gleich – Tano und Algini vor sich sah, die unter Beweis stellten, daß auch unter Atevi möglich war, was Menschen als Freundschaft bezeichneten. Er freute sich für sie und darüber, daß Algini wohlauf zu sein schien.
Algini trat auf ihn zu, verbeugte sich und lächelte, was für ihn, der sonst meist mürrisch dreinblickte, ganz und gar ungewöhnlich war. »Ich habe Ihr Gepäck mitgebracht, nand’ Paidhi«, erklärte er stolz.
Wie? Gehörte das tatsächlich alles ihm, was sich da, in Pappkartons und Kisten eingepackt, auf dem Teppich stapelte? Nun ja, er hatte alles, was er besaß, auf Malguri zurücklassen müssen und allenfalls darauf gehofft, daß ihm ein paar Dinge nachgeschickt würden: sein Lieblingspullover, die beste Jacke, das Reisenecessaire, die Familienfotos…
»Nadi-ji«, sagte er zu Algini und suchte nach angemessenen Dankesworten. »Ich bin überrascht.« Zu wenig. »Sehr aufmerksam von Ihnen, meine Sachen mitgebracht zu haben. Aber daß Sie wohlbehalten wieder da sind, ist mir sehr viel mehr wert.«
Algini zeigte sich verblüfft. »Das gehört zu meinem Job, nand’ Paidhi.« Genauso hätte Jago geantwortet oder Banichi oder Tano. Sie alle taten ihre Pflicht, das, was von ihnen erwartet wurde.
Um Saidin nicht länger abseits stehen zu lassen, sagte Bren: »Saidin-ji, bitte veranlassen Sie, daß sich das Personal der Gepäckstücke annimmt. Ich weiß sie bei Ihnen in guten Händen. Algini, Sie sollten sich jetzt erst einmal richtig ausschlafen. Banichi und Jago sind nicht da, aber ich bin sicher, daß sie Ihnen denselben Rat geben würden.«
Es fehlte nicht viel, und Algini würde vor Erschöpfung zu Boden gehen. Als sich die Dienerinnen daranmachten, das Gepäck davonzuschaffen, blinkte das Warnlicht über der Eingangstür. Der Sicherheitsdraht wurde ausgeschaltet, die Tür öffnete sich, und Jago trat herein.
»’Gini-ji«, grüßte Jago erfreut. »Eine schöne Überraschung, Sie zu sehen.« Es gab eine Reihe weiterer Verbeugungen. Tano tätschelte dem Partner erneut die Schulter.
Dann schien sich Jago auf etwas anderes zu besinnen. »Bren-ji, verzeihen Sie«, sagte sie und reichte ihm einen Versandzylinder mit Tabinis Siegel.
Bren hatte
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