Atevi 2 - Eroberer
im stillen schon damit gerechnet. Er entnahm ihm die Aufforderung, daß er sich nach dem Abendessen im Blauen Saal einfinden solle. Beklommen starrte er zu Boden, auf die Kisten und Koffer, die von den Dienerinnen davongetragen wurden. Er war nicht bereit, weder emotional noch mental, fühlte sich überfordert von allem, was ihm zugemutet wurde. Nur eines hielt ihn bei der Stange, die Überzeugung nämlich, daß er handeln mußte, daß es nicht damit getan wäre, dem Präsidenten und seinen Experten die Entscheidung zu überlassen, denn die drohten in eine Falle zu tappen. Das sah niemand besser als der Paidhi, der sich wie kein anderer Mospheiraner auf das Verhandeln mit Fremden verstand.
Aber natürlich konnte auch der Paidhi irren.
Dennoch machte er sich zum verabredeten Zeitpunkt mit seinen Notizen und dem Computer auf den Weg, von Jago zum Fahrstuhl begleitet. Wie nie zuvor in seiner Karriere galt es jetzt, alle Sinne beisammenzuhalten, sich zu konzentrieren.
Und doch wurde ihm schwindelig vor Angst.
Er mußte umschalten, auf mosphei denken, zwischen beiden Sprachen hin- und herspringen, eine Aufgabe, der er sich zur Zeit kaum gewachsen sah.
Sein Vorschlag war von beiden Häusern abgesegnet worden. Die hatten im Anschluß an seine Rede bis tief in die Nacht hinein debattiert und eine Resolution verabschiedet. Darin hieß es sinngemäß: Die Zustimmung des Aiji vorausgesetzt, bitten wir den Paidhi, mit dem Schiff in Kontakt zu treten und ihm die Grüße des Bundes zu übermitteln.
Doch inzwischen zeichnete sich ein Stimmungsumschwung ab. Tabini hatte ihn in seiner Nachricht wissen lassen: Auf Antrag mehrerer Ostprovinzen wird die Legislative heute ihre Beratungen fortsetzen. Mit anderen Worten: Die Rebellen versuchten querzuschießen. Darum drängte Tabini: Wenn wir nicht schnellstens für vollendete Tatsachen sorgen, gehen wir noch baden in einer Flut von Anträgen.
Chimati sida’ta, lautete eine atevische Redensart: Das Tier, um das gestritten wird, ist längst geschlachtet. Nach Beschlußlage der vergangenen Nacht hatte der Paidhi-Aiji Verhandlungsvollmacht. Die drohte nun zurückgezogen oder bis auf weiteres außer Kraft gesetzt zu werden. Verständlich, daß Tabini zur Eile mahnte.
Ein entsprechendes Mandat aus Mospheira fehlte allerdings nach wie vor. Es gab keine Antwort, weder auf sein Schreiben noch auf Tabinis Botschaft an den Präsidenten, so sehr er auch darauf gehofft hatte. Ihm war nun bewußt, daß es zu ernsten Problemen kommen würde, nicht nur für ihn, sondern für alle Kollegen, die ihm den Rücken stärkten.
Aber der Ausschuß, den er um Rat gebeten hatte, war wie jedes Gremium seiner Art, hüben wie drüben, vielleicht wie überall im Universum: träge bis zum Umfallen. Bevor der reagierte, hatte sich das meiste von selbst erledigt. Und der Beraterkreis des Präsidenten war auch nicht schneller.
Die Chefs des Außenministeriums würden den Paidhi für das, wozu er sich nun genötigt fühlte, bestimmt aufknüpfen wollen. Doch zuerst müßten sie ihn schnappen, und bis dahin – Chimati sida’ta…
Selbst von denen würde es niemand wagen, die Beziehungen zum Festland abzubrechen, und wenn Tabini nun das Heft in die Hand nahm, mußten sie sich wohl oder übel darauf einstellen und zur Kenntnis nehmen, daß auch in absehbarer Zukunft jeder Dialog nur über seine, Brens, Vermittlung zustande kam, denn der Aiji weigerte sich, Hanks als Paidhi anzuerkennen oder Wilson oder wen auch immer. Hanks wäre inzwischen wahrscheinlich schon tot, hätte er Tabini nicht dringend davon abgeraten, ihren Affront gegen seine Regierung nach Art der Atevi zu beantworten. Aber sollte sie es noch einmal wagen, den Aiji zu brüskieren, wäre dessen Geduld am Ende, und er, Bren, würde nichts mehr für sie tun können.
Gesetzt den Fall, den Scharfmachern unter den Separatisten gelänge es, die moderateren Kräfte an die Wand zu spielen, hätte er sich allerdings schwere Vorwürfe zu machen, denn dann würden diejenigen für ihn büßen müssen, die auf seiner Seite standen. Aber er war zuversichtlich, daß die Fraktion der Betonköpfe, wenn überhaupt, nur für kurze Zeit das Vergnügen haben würde, denn ohne Information oder Kooperation – oder Rohstofflieferungen – vom Festland wäre auch sie aufgeschmissen.
Also: Auch wenn sie mit dem Schiff einig werden sollte, hätte sie am Ende das Nachsehen. So auch das Schiff, falls es sich weigerte, mit den Atevi zu verhandeln.
Dennoch, die Rolle, die er
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