Atevi 3 - Erbe
Datenfluß Schritt zu halten.
Er selbst entdeckte bei sich einige Wissenslücken in den Disziplinen Physik und Chemie: Das Verteidigungsministerium hatte so manches geheimgehalten – SAL war nur eines davon. An der Uni hatten er und seine Vorgänger natürlich nur das lernen können, was als Lehrstoff zur Verfügung stand. Die Leute aus dem Verteidigungsministerium, die mit den relevanten Daten etwas anzufangen wußten, waren, wen wundert’s, längst gestorben; und deren Nachfolger hatten diese Informationen lediglich unter Verschluß gehalten, ohne um deren Bedeutung zu wissen – bis schließlich das Schiff in wenigen Sekunden Funkverkehr die Geheimnisse preisgab, die der Verteidigungsminister so streng gehütet hatte.
Jetzt hatte Mospheira keine Trumpfkarte mehr auszuspielen. Die Atevi verfügten dagegen auf ihrem großen Kontinent über jede Menge abbaubarer Rohstoffressourcen. Die Menschen der gebirgigen Insel Mospheira tauschten Fisch gegen Aluminium und Kupfer. Die Bestellungen hatten noch nicht zugenommen, was möglicherweise in der Trägheit und mangelnden Flexibilität seitens der Regierung begründet lag. Der Aiji hingegen hatte mit seiner Unterschrift die Bergwerke angewiesen, zu fördern, was das Schiff an Bedarf anmeldete.
Keramikelemente, Kunststoffe und Flugzeuge waren Produkte des Festlands, die Mospheira importierte. Eingeführt wurde auch Mineralöl, obwohl es im Norden vor der Inselküste ergiebige Vorkommen gab, deren Gewinnung aber viel teurer war als der Einkauf vom Festland.
Der Regierungschef der Atevi war nicht auf den Kopf gefallen. Er verkaufte Flugzeuge und Mineralöl zu günstigen Preisen an Mospheira – wie schon sein Vater vor ihm. Die Luftfahrtindustrie, groß geworden durch den vom Paidhi gesteuerten Techniktransfer und die starke Nachfrage seitens der Menschen, entwickelte bald ehrgeizige Pläne zum Bau von Satelliten. Die für eine Stationierung im Orbit nötigen Trägerraketen sollten auf der Insel hergestellt werden. Damit dies Wirklichkeit werden konnte, mußte die atevische Zulieferindustrie aufgerüstet werden, denn von dort sollten die einzelnen Bauteile kommen. Mospheiranische Entwürfe für eine Rakete hatten längst auf dem Verhandlungstisch gelegen, als das Schiff am Himmel auftauchte, und aus dem Flugzeugwerk Patinandi war inzwischen ein Raumfahrtunternehmen geworden.
Mit der Ankunft des Schiffes waren aber Mospheiras Trägerraketen für schwere Lasten plötzlich nicht mehr gefragt. Aus buchstäblich heiterem Himmel kamen Plane für eine wiederverwendbare Raumfähre, und der Aiji brauchte nur einen Tag Bedenkzeit, worauf er Patinandi anwies, die gesamte Produktion umzustellen und der neuen Linie zu entsprechen.
Nach dieser in Shejidan getroffenen Entscheidung war die Sonne noch nicht untergegangen, als Patinandi in Sarini die Flugzeugproduktion auszulagern anfing, und zwar in eine Provinz, die durch diesen Umzug natürlich mächtig profitieren sollte.
Und so konvertierte der Aiji das größte Flugzeug- und Montagewerk der Welt gleichsam über Nacht und ohne daß ihm irgend jemand dazwischengeredet hätte zu einem Hochleistungsunternehmen in Sachen Raumfahrt. Erstaunlich, wie schnell sich das gesamte atevische System inzwischen bewegen ließ, wo noch vor kurzem das Raumfahrtprogramm über drei Monate wegen eines Streites über das fragliche Design von Schlingerwänden in Raketentreibstoffbehältern ins Stocken gebracht worden war.
Vor einem halben Jahr hatte es dergleichen noch nicht gegeben.
Das Schiff, das Bren nun im Aufbau sah, würde womöglich schneller aufsteigen können, als er andere, nicht zuletzt auch Jason glauben gemacht hatte – vorausgesetzt, seine transspezielle Interpretation und Übersetzung der historischen Dokumente war präzise genug. Der Entwurf des Rumpfes hatte nichts Spektakuläres an sich; revolutionär neu waren allerdings die Dual-Motoren, das Nullschwerkraft-System, der Hitzeschild und die interaktiven Computer.
Warum die Atevi diese Innovationen akzeptierten, ohne wie sonst durch langwierige Zahlendebatten das ganze Projekt aufzuhalten? Nun, die Zahlenverhältnisse an diesem Schiff waren einfach günstig und über allen Zweifel erhaben, sogar die der Motoren und Computer. Bis hin zum Fahrwerk war es eine getreue Kopie jenes historischen Boden-Orbit-Shuttles namens Pegasus, die zwei Jahrzehnte lang störungsfrei und zuverlässig den Himmel über der Menschenerde erkundet hatte, wo ähnliche Schwerkraftverhältnisse herrschten,
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