Atevi 3 - Erbe
Telefonverbindungen sind frei«, sagte Bren in ruhigem Tonfall. »Sie können jederzeit, wann Sie nur wollen, im Schiff anrufen. Das Personal wird Ihnen behilflich sein, Nadi.«
»Mit oder ohne Mitschnitt?«
»Es wird grundsätzlich alles aufgezeichnet«, antwortete Bren. »Das habe ich Ihnen schon erklärt. Erwarten Sie keine Ausnahmen. Die gibt es nicht, Nadi.«
Jason warf die Decke beiseite, stieg aus dem Bett und langte nach seinem Morgenmantel. »Ich muß aber ein privates Gespräch führen.«
»Es ist zu Ihrem eigenen Schutz, Nadi. Stellen Sie sich vor, irgendeine böswillige Person unterstellt Ihnen Amtsmißbrauch oder Schlimmeres. Damit ist in dieser Gesellschaft durchaus zu rechnen. Wie wollen Sie in einem solchen Fall beweisen, daß Sie ehrlich sind?«
»Diese Gesellschaft kann mich mal…« Jason war wieder auf seine Muttersprache zurückgefallen. Er steckte die Arme in die Ärmel und knotete den Gürtel zu.
Über das Problem der Tonmitschnitte hatten die beiden schon früher diskutiert. Jason wollte ihn wohl erneut in dieser Sache herausfordern. Allerdings ging er in seinem schlechten Benehmen diesmal ein wenig zu weit.
»In dieser Kultur…« hob Bren geduldig an.
»Bren, laß mir nur ein bißchen Spielraum. Ich will darüber nicht länger diskutieren. Ich will bloß ein paar persönliche Worte an meine Mutter richten, verdammt noch mal.«
»Das kann ich nicht befürworten«, sagte Bren auf mosphei’. »Denn es wird auf alle Fälle mitgehört, wenn nicht von unseren Leuten, so doch von denen, die uns schaden könnten. Deren Liste ist lang, glaub mir. Schon allein darum empfiehlt es sich, eigene Aufzeichnungen zu machen.«
»Du hast kein Herz.«
Bren hatte Jason nicht provozieren wollen. Doch Jason tat seinerseits alles, um Gefühlsreaktionen auszulösen. Er, Bren, mochte sich das noch gefallen lassen. Aber es war nur zu hoffen, daß sich Jason so nicht gegenüber Saidin oder den anderen Bediensteten der Atigeini verhalten hatte, als er, Bren, unterwegs gewesen war.
»Du traust mir nicht?« entgegnete Bren. »Ist es das, was du mir sagen willst? Jason, nur zu deiner Information und in der Hoffnung, daß sie dir was nützt: Niemand wußte Bescheid. Aber wenn’du dich Manasi anvertraut hättest, wäre ich bestimmt benachrichtigt worden.«
Es war plötzlich totenstill. Jason antwortete nicht, verzog keine Miene.
Bren nahm einen neuerlichen Anlauf, um zu Jason durchzudringen. »Nicht, daß ich auf Anhieb ein sicheres Telefon gefunden hätte. Aber wenn mir zu Ohren gekommen wäre, was dir widerfahren ist, hätte ich eins aufgetrieben. Ganz bestimmt.«
»Nun ja, ich werde meine Mutter anrufen. Danke für deine Bemühungen.«
»Es tut mir sehr leid, Jason, wirklich sehr leid.«
Jason hatte ihm den Rücken zugekehrt. Ein Fenster nach draußen gab es in diesem Zimmer nicht, nur einen schön gearbeiteten Wandschirm zur Zierde. Darauf war in der Mitte ein Berg abgebildet, kein bestimmter Berg, den Bren kannte. Jason starrte darauf wie auf eine Fluchtmöglichkeit.
»Ja«, sagte Jason, »ich weiß.«
»Ich habe jetzt eine Verabredung. Mit Tabini. Wenn er ruft, muß ich gehen. Aber wir werden unser Gespräch fortsetzen, Jason. Auch wir müssen ein paar persönliche Worte miteinander wechseln.« Er wünschte, auf diese Stippvisite, die viel zu kurz war für ein ergiebiges Gespräch, verzichtet zu haben. Von einem Beinbruch-Auftrag sprachen Assassinen, wenn sie die Zielperson nicht töten, sondern nur für eine Weile aus dem Verkehr ziehen sollten. Eine solche Maßnahme ging auch Bren durch den Kopf, wenn er an Jasons Krise dachte und an die gefährlichen Folgen, die daraus erwachsen mochten. »Es soll nicht wieder vorkommen, daß zuerst andere erfahren, was vor allem dich betrifft. Es tut mir wirklich sehr leid. Ich bitte dich aber, Fassung zu bewahren. Das Personal weiß nicht, was in dir vorgeht. Es bemüht sich um Verständnis und ist dir gegenüber guten Willens.«
»Ich schaffs. Ich werde anrufen. Danach stehe ich dir Rede und Antwort.«
Bren konnte von Jason nicht mehr an Selbstbeherrschung erwarten und versuchte, seine eigenen Empfindlichkeiten in Reaktion auf Jasons Verhalten in den Griff zu bekommen. Jason würde auf manche Einsichten schon noch selbst kommen.
Und sie würden ausführlicher miteinander reden, wenn er denn Zeit fände. Wenn es ihm gelänge, die Kluft zu schließen, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte. Er war selbst noch nicht in der Lage gewesen, offen zu reden, was er
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