Atevi 3 - Erbe
leerer, die Marmelade und die warmen Brötchen weniger wurden, hörte er interessiert dem nicht immer leicht zu folgenden Gespräch seines Personals zu. Daraus ging unter anderem für ihn hervor, daß das Attentat auf Saigimi für Tano und Algini völlig überraschend gekommen war, jedoch nicht so für Banichi und Jago. Von Banichi wäre soviel nicht zu erfahren gewesen, hätte er der Tischgesellschaft einschließlich Madam Saidin gegenüber nicht voll vertrauen können.
In diesem Moment fiel Bren auf, daß ausschließlich Saidin bediente. War hier irgend etwas abgesprochen? fragte er sich.
Saidin und seine Tischgenossen waren samt und sonders Mitglieder der Assassinengilde, die sich freimütig über dies und jenes unterhielten, unter anderem über die Haltung der Gilde zum jüngsten Attentat, über die aktuelle Wohnsituation, die Termine des Aiji und die allgemeine Sicherheitslage.
Tiburi, die Witwe Saigimis, und deren Tochter Cosadi hatten, wie Bren erfuhr, bei Direiso Zuflucht gesucht, da jetzt Saigimis Bruder Ajresi in der Tasigin Marid an die Macht strebte.
»Es ist noch längst nichts entschieden«, orakelte Jago.
Und Banichi meinte: »Vielleicht kommt Badissuni als Vermittler zwischen Ajresi und Tabini.«
Ein unangenehmer Gedanke, der ihm da zum Frühstück in ungewöhnlich redseliger Gesellschaft aufgetischt wurde, doch Bren ging in sich und stellte fest, daß ihn der Mord an Saigimi kälter ließ als vermutet.
Und er dachte insgeheim, daß es vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn einigen anderen aus der Umgebung Saigimis ein ähnliches Schicksal widerführe.
Ja, er sah im Vergleich zu früher manche Dinge tatsächlich mitleidsloser. Ging ihm im Zuge dieser Wandlung etwas verloren oder profitierte er davon? Er sah den Schrecken voraus, den Tabini verbreiten würde, wenn er beschlösse, den ersten Friedensgesandten töten zu lassen, um (wie in Machimi-Spielen) dem Clan der Hagrani solchermaßen klarzumachen, daß sie, wenn sie wirklich Frieden mit dem Aiji wünschten, ihre neue Führung abzulösen hätten. Die Geschichte kannte Beispiele.
Tabini würde eine solche Forderung nicht stellen. Zumindest hielt dies der Paidhi für unwahrscheinlich. Tabini riet doch immer allen, die eine Mordabsicht erklärten, lieber vors Gericht zu ziehen. Es würde dem Aiji nicht ähnlich sehen, wenn er diesen Weg selbst nicht gehen und statt dessen eine zweite Assassination in Auftrag gäbe.
Vielleicht hatte ihn seine moderate Position in eine Klemme geraten lassen, aus der er sich nur noch mit der Androhung von Gewalt befreien konnte.
Und Tabini hatte es mit einem Lord der Edi zu tun. Auch das galt es zu berücksichtigen: den ethnischen Konflikt, die Tatsache, daß Tabini den Ragi angehörte; Edi dagegen war die Bevölkerungsmehrheit der Halbinsel, des am meisten industrialisierten Gebietes der Nation.
Es gab Gründe für Vorsicht und Zurückhaltung, und Tabini wußte wahrscheinlich sehr genau, warum er zuerst Saigimi ausgeschaltet hatte, dann aber einen Mann am Leben ließ, den Jago für gefährlich hielt.
Jago wollte offenbar den Auftrag in Badissunis Fall, sollte sich Tabini für eine härtere Gangart entscheiden.
Es ist noch längst nichts entschieden, hatte Jago kurz vorher gesagt im Hinblick auf Ajresis Machtambitionen. Glaubte sie vielleicht, daß Badissuni Ajresi aus dem Weg räumen würde? Derweil hielt sich Cosadi, die als Tochter des getöteten Lords ebenfalls Anspruch auf die Herrschaft über die Marid erhob, in Direisos Haus auf.
Ajresi mußte darüber alarmiert sein. Er würde gewiß sehr genau Fenster und Türen im Auge behalten, denn Direiso mochte Cosadi Starthilfe geben für den Versuch, Ajresi die Marid und die Halbinsel abzujagen.
Somit wäre verständlich, daß Ajresi einen Beauftragten zu Tabini schickte. Jago glaubte, daß Badissuni nicht zu trauen sei, und wollte ihn lieber nicht in der Nähe wissen. Banichi aber meinte, daß (a) der Erbstreit noch nicht entschieden und (b) Badussini nur als ein Gesandter gekommen sei.
Falls sich Ajresi mit Waffengewalt an die Spitze des Hagrani-Clans setzen würde, hätte er keine Chance, mit Direiso in politische Verhandlungen zu treten, solange diese die Hagram-Erbin beherbergte und vor einem Mordanschlag in Schutz nahm. Ajresi war – zumindest in den Augen der Öffentlichkeit – von Anfang an gegen Saigimis abenteuerliche Geschäfte mit Direiso gewesen, die es auf Bren und seine Vorgänger abgesehen hatten und dem Clan am Ende teuer zu stehen
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