Atevi 3 - Erbe
dies einem Ateva auf ragi begreiflich machen sollte, insbesondere einem Mann wie Banichi, der auf Luftschlösser schon im Rohbau zu schießen pflegte.
»Es ist eine typisch menschliche Reaktion«, versuchte Bren zu erklären. »Er hat einen schweren Schlag hinnehmen müssen. Entsprechend unzuverlässig sind seine Emotionen. Vielleicht will er sich von seinen Grübeleien ablenken lassen auf emotional neutrale Dinge; vielleicht ist es etwas, das sein verstorbener Vater geschätzt hat oder wozu er selbst eine Affinität empfinden.«
»Ein Ausblick aufs Meer?«
»Vom Orbit aus sind die Küstenlinien und die Polkappen am deutlichsten zu erkennen. Ich vermute, daß er sich schon im Schiff schöne Vorstellungen davon gemacht hat.«
»Zu sehen sind auch die Wolken«, sagte Banichi. Fotos aus dem All waren den Atevi schon vor dem großen Krieg zu Gesicht gekommen. Brens Vorgänger hatten, als die Raketentechnik transferiert werden sollte, zahllose Weltraumfotos aus den Archiven in Umlauf gebracht, um den zivilen Raumflug schmackhaft zu machen, den Sinn der Atevi aufs All zu richten, weg von der Möglichkeit einer kriegstechnischen Nutzung von ballistischen Flugkörpern. Beides hatte, wie in den Geschichtsquellen nachzulesen war, auch schon für die Menschen sehr nahe beieinander gelegen; und Atevi waren ebenfalls stets schnell dabei, technische Errungenschaften in Waffen umzuschmieden.
»Viele Wolken«, bestätigte Bren.
»So so, er würde gern Lord Geigi besuchen?«
»Ja«, antwortete Bren. »Und ich glaube, man könnte mit ihm eine solche Reise schon wagen.«
»Ich erinnere daran, wie schlecht ihm geworden ist vom Blick in den Himmel, Bren-Ji. Wie wird es ihm ergehen, wenn er jetzt wieder ins Freie kommt?«
»Ich glaube, es täte ihm gut, wenn er sich beweisen könnte, daß ihm nicht mehr so schnell schlecht wird.«
»Aha«, sagte Banichi.
»Ich bin nicht sicher, ob ich selbst alles richtig verstehe, Banichi. Glauben Sie bitte nicht, daß ich genau wüßte, was ihm so alles durch den Kopf geht. Immerhin könnte eine solche Reise einen neuen Anfang markieren und ihm Mut machen für seine Arbeit. Im übrigen wird es, wie ich meine, Zeit, daß er sich einer Herausforderung stellt. Wenn er Paidhi sein und zwischen Atevi und Schiffsbesatzung dolmetschen will, muß er lernen, wie die Atevi ihre Welt sehen. Ich hoffe, es gibt keine sicherheitstechnischen Probleme. Was meinen Sie, Banichi? Ich hab ihm die Reise versprochen und bin einfach davon ausgegangen, daß es in der Hinsicht keine Probleme gibt.«
»Darüber müßte man nachdenken. Mir fallen auf Anhieb ein paar Küstenorte auf, die absolut sicher sind. Aber von Geigi würde ich eher abraten.«
»Könnten Sie sich in dieser Sache kundig machen, Nadi-ji.«
»Selbstverständlich. Und was die andere Sache betrifft…«
Deana. Bren war so durcheinander, daß er ganz vergessen hatte, Banichi danach zu fragen.
»Wir erarbeiten zur Zeit eine Abschrift der verschiedenen Tonaufzeichnungen. Tano läßt Ihnen ausrichten, daß er von diesen Vorgängen keine Ahnung hatte. Für Jago und mich gilt das gleiche, Bren-ji. Wir waren mit anderen Aufgaben betraut, und davon wollte man uns nicht mit Informationen ablenken, die Sie und Ihr Personal betreffen. Was jedoch keine Entschuldigung dafür sein kann, daß man es versäumt hat, Sie rechtzeitig zu benachrichtigen. Oder eben Tano.«
»Ich vertraue meinem Personal voll und ganz, Banichi.«
Banichi schien etwas sagen zu wollen, war aber offenbar noch unschlüssig, ob er damit rausrücken sollte oder nicht. Dann: »Der Aiji, Nadi-ji, wirft gewissen Gildenmitgliedern vor, daß sie zum wiederholten Mal wichtige Informationen nicht schnell genug an die übergeordnete Stelle, sprich: an die Sicherheitszentrale des Bu-javid weitergeleitet haben. Gemeint sind die Überwachungsdienste von Mogari-nai, die eine Gilde innerhalb der Gilde darstellen. Der Aiji versucht momentan klarzustellen, daß meine Abwesenheit, sooft sie erforderlich wird, kein Grund dafür sein kann, daß der Informationsfluß ins Stocken gerät. Und das tut er mit Nachdruck, wie sich der Paidhi denken kann.«
»Allerdings.« Bren wollte nicht in der Haut derer stecken, die den Groll des Aiji auf sich gelenkt hatten, sei es aus politisch motivierten Gründen oder einfach, weil sie nachlässig gewesen waren, eben nicht schnell genug in der Benachrichtigung des Paidhi, der auf der vom Aiji aufgestellten Verteilerliste für bestimmte geheimdienstliche Informationen
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