Atevi 3 - Erbe
tatsächlich ein Spiel im Fernsehen gebracht wurde, das sich anzuschauen lohnte.
Aber es gab für beide ohnehin genug zu tun, und Bren wußte: Persönlicher Kummer ließ sich am besten durch Arbeit vertreiben. Es konnte ihm nur recht sein, wenn sich Jason lieber in die Bibliothek zurückziehen wollte, um Bücher zu wälzen, Dinge nachzuschlagen und kleine Übersetzungsübungen zu machen.
Er selbst wollte sich endlich die Korrespondenz vornehmen, jetzt, nachdem er üppiger gegessen hatte als beabsichtigt und entsprechend leer im Kopf war, der darum für komplizierte Aufgaben heute nicht mehr zu gebrauchen sein würde.
Ganz oben auf dem Stapel Briefe befand sich eine Anfrage der Piloten, die eine Gilde zu gründen beabsichtigten. Jeweils als Gilde organisiert waren die Assassinen, Informanten, Ärzte und Mathematiker. Es gab keinen anderen Berufsverband, zumal die Astronomen seit fast zwei Jahrhunderten nicht mehr als solcher zugelassen waren. Jetzt also wollten sich die Piloten als Gilde anerkennen lassen – nach dem bekannt gewordenen Vorbild der Raumfahrer und mit der Begründung, daß die Atevi den Menschen auch in der Hinsicht nicht nachstehen dürften. Dagegen hatten die existierenden Gilden sowie die Traditionalisten unter den Parlamentsabgeordneten Einspruch erhoben, der so scharf formuliert war, daß sich darüber nun wieder die Piloten beschwerten, die sich in ihrer Berufsehre beschnitten sahen.
Von Animositäten abgesehen, gab es, wie Bren von Banichi wußte, ernstzunehmende Abstimmungsprobleme und die Frage, wie sich eine solche Gilde auf andere beziehen sollte, zum Beispiel auf die der Informanten, die die Auffassung vertraten, daß die Piloten zu ihrer Gilde gehörten, da sie reisten und Informationen beförderten.
Verständlich, daß die Piloten gegen eine solche Argumentation Sturm liefen.
Zu allem Überfluß hatten sich im vergangenen Winter auch die Astronomen zurückgemeldet mit der Forderung, wieder als eigenständige Gilde anerkannt zu werden. Damals war ihnen dieser Status aufgrund ihrer zukunftsdeutenden Funktion zugebilligt worden; eine Restauration unter selbigen Vorzeichen würde – und darauf hatte Tabini aufmerksam gemacht – philosophische Kontroversen aufreißen, die manchen gewiß lächerlich erscheinen, für Gläubige aber so schwerwiegend sein würden, daß auch auf seiten der Politik Vorsicht geboten war.
Der Verband der Piloten bat den Paidhi um eine Empfehlung für den Aiji und das Parlament. Dem Schreiben lag außerdem ein Brief des Vorsitzenden bei, der Bren wissen ließ, daß er sich für die Forderung des Paidhi nach obligatem Einsatz von Computern persönlich stark gemacht habe und nun hoffe, seinerseits durch den Paidhi Unterstützung zu erfahren.
Bren nahm das Anliegen der Piloten tatsächlich ernst, aus Gründen allerdings, die er lieber für sich behalten wollte.
Ja, gewiß, den Piloten würde eine große Bedeutung zukommen im zukünftigen Fährbetrieb zwischen der Planetenoberfläche und dem Orbit. Und hinzu kam, wie ihm jetzt erstmalig bewußt wurde, daß die Computerprogramme, gegen die sich die Piloten nach wie vor sträubten, letztlich in Betrieb gesetzt würden durch Steuerprogramme, die der rechnerischen Logik der Atevi zugrunde lagen.
Wohin das führen sollte, entzog sich der Voraussicht des Paidhi, nämlich in mathematische Konstruktionen, die selbst für die meisten Atevi nicht mehr nachvollziehbar waren, in obskure Mystifikationen, die alle gängigen zahlenphilosophischen Modelle radikal in Frage stellen würden. Darauf beizeiten nach Antworten zu suchen war womöglich wichtiger als alles andere.
Aiji-ma, schrieb Bren, die Piloten werden in den kommenden Jahren mit der Mathematikergilde und den Astronomen in enge Zusammenarbeit treten. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu der Auffassung gelangt, daß es sinnvoll wäre, auf der Ebene der Gilden für Informationsaustausch zu sorgen. Mir ist bewußt, daß ich als Mensch nicht kompetent bin, die Vor- beziehungsweise Nachteile der Umwandlung eines Berufsverbands in eine Gilde abzuwägen, doch bitte ich zu bedenken, daß die Piloten künftig mit sensiblen Informationen betraut werden, die zu gewichten ich Ihrer Weisheit und dem atevischen Feingespür überlasse.
Mir ist ferner bewußt, daß die Gilden der Atevi nur begrenzt vergleichbar sind mit dem menschlichen Äquivalent. Doch es sollte bedacht werden: Sie, die Gilde nach menschlichem Muster, war eine der Ursachen für die Entzweiung der
Weitere Kostenlose Bücher