Atevi 3 - Erbe
Erfahrung gebracht, und wenn nun Jason darauf bestand, mit seinen Nöten allein fertig zu werden, konnte sich Bren nur noch diskret zurückziehen und aus der Distanz darauf achten, daß Jason halbwegs mit sich zurechtkam. Um alles andere, was seine Situation beeinträchtigen könnte, würde sich Banichi kümmern.
Für Bren gab es unterdessen anderes zu tun. Er zog sich in den Salon zurück, ließ durch einen jungen Wachmann seinen Computer und seine Aufzeichnungen bringen und nahm die Arbeit da wieder auf, wo er sie vor der Landung in Shejidan unterbrochen hatte.
Die stupide Übersetzungsroutine hatte etwas durchaus Angenehmes. Es gefiel ihm, in die Computertastatur zu greifen, solange absehbare Resultate dabei heraussprangen.
Eine Dienerin kam und fragte an, was er zum Abendessen wünsche, worauf er zur Antwort gab, daß er Jason wählen lassen wolle und sich ganz nach ihm richten werde, im Zweifelsfall aber selbst etwas Leichtes bevorzuge nach den vielen Banketts, zu denen er während seiner Reise eingeladen worden sei.
Überraschend steckte Jason wenig später den Kopf zur Tür herein und fragte, worauf er, Bren, Appetit habe. Damit hatte Bren nicht gerechnet. Jason war von sich aus gekommen, wollte einfach freundlich sein.
Auf ragi sagte Bren: »Wenn es Ihnen recht ist, könnten wir zusammen essen.«
»Ich würde mich freuen, Nadi«, antwortete Jason. »Ich sage dem Personal Bescheid.«
»Bitte, tun Sie das, Nadi-ji.« Ihm lag auf der Zunge zu fragen Wie geht’s?, bedankte sich dann aber bloß.
»Bis später«, sagte Jason und zog die Tür wieder zu.
Er und Jason saßen allein zu Tisch; das Sicherheitspersonal hatte noch zu tun. Jason war still, aber merklich besser gestimmt; er lachte sogar einige Male, als er von einem Vorfall berichtete, der sich während Brens Abwesenheit zugetragen hatte: Das Baugerüst nebenan drohte einzustürzen, und es war die Feuerwehr des Bu-javid zu Hilfe geeilt, die dann die Handwerker über das Dach in Sicherheit gebracht hatte.
»Wir konnten die Sicherheit nicht dazu bringen, die Schutzwand abzunehmen«, schaltete sich Madam Saidin ein, als sie den Hauptgang servierte. »Das wollte die Gilde einfach nicht zulassen. Da saßen die Handwerker erst einmal fest, mit zwei Porzellanlilien, die sie natürlich nicht riskieren wollten. Die Künstlerin, die sie gemacht hat, rief ihnen aus dem Garten zu, daß sie nur ja nicht in den Eimer getan werden sollten, was die Feuerwehr vorgeschlagen hatte.«
»So was…«
»Der Boden ist an dieser Stelle geneigt«, fuhr Jason fort, womit er sagen wollte, daß das Gelände dort steil abfiel. »Mit einer Leiter war da nichts zu machen.«
»Am Ende kamen Feuerwehrleute an Seilen herunter, um die Porzellanblumen in Sicherheit zu bringen«, berichtete Saidin. »Inzwischen mußte die Künstlerin feststellen, daß sie ausgesperrt worden war und auf dem Hang im Garten feststeckte – sie ist eine ältere Dame –, und nun galt es, sie zu retten, wofür wiederum erst einmal eine Erlaubnis eingeholt werden mußte, weil ja unten eine Tür zu öffnen war.«
»Das Sicherheitspersonal war nicht gerade angetan von alledem«, meinte Jason.
Bren schmunzelte, dachte aber daran, daß Lord Tatiseigi, dessen Sinn für Humor in letzter Zeit vermutlich stark abgenommen hatte, diese Geschichte wohl kaum amüsant fände, auch wenn eine Atigeini wie Madam Saidin darüber lachen konnte. Insbesondere Damiri hätte ihr Vergnügen gehabt, wenn sie von ihren Leibwachen raus auf den Balkon gelassen worden wäre.
Jason machte einen erschöpften und müden Eindruck und erklärte, als sie mit dem Essen fertig waren, daß er sich für den Rest des Abends nun gern zurückziehen würde, noch ein wenig lernen und früh zu Bett gehen wolle.
»Alles in Ordnung?« fragte Bren auf mosphei’.
»Ja«, antwortete Jason. »Es ist nur so, daß ich vergangene Nacht kaum geschlafen habe.«
»Und die Nächte davor wohl auch nicht besser, wie ich mir denken kann.«
»So ist es«, bestätigte Jason. »Aber diese Nacht werde ich bestimmt durchschlafen.«
»Gut. Und wenn irgendwas ist, du kannst mich jederzeit wecken.«
»Wird nicht nötig sein«, entgegnete Jason. »Gute Nacht.«
Manchmal unterhielten sie sich auch abends noch, meist über den Lernstoff. Mitunter sahen sie auch fern, die Nachrichten etwa oder ein Machimi-Spiel, was immer auch ein willkommener Sprachunterricht war. Bren war darauf eingestellt, Jason bei Laune zu halten, und hatte in Erfahrung gebracht, daß
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