Athyra
Schwester galant anbot, zuerst baden zu gehen.
Sie ignorierte ihn und fragte: »Was ist los mit ihnen?«
»Mit wem?«
»Hör bloß auf«, sagte sie. »Du weißt, wen ich meine.«
Savn wollte etwas einwenden, gab es aber auf und sagte: »Ich weiß es nicht. Ich glaube – nein, ich weiß es nicht.«
»Was glaubst du?«
»Ist egal.«
»Hat Vlad etwas mit ihnen gemacht?«
Savn wandte sich ab und wiederholte: »Ich weiß nicht.«
»Vielleicht hat er –«
»Ich – weiß – es – nicht!«
»Ist ja gut«, schmollte sie. »Brauchst mich nicht gleich anzuschreien.«
»Willst du jetzt zuerst baden oder soll ich?«
»Ist mir egal. Mach du. Nee, lieber ich.«
»Nein, laß mich vor, ich muß zu Meister Wack.«
»Warum fragst du denn?«
»Keine Ahnung. Ich beeil mich.«
Savn badete geschwind, und als er das Haus verließ, ging er querfeldein, weit weg vom Lagergebäude, damit er nicht wieder mit Mä und Pä reden mußte. Auch um das Dorf machte er einen Bogen, obwohl er furchtbar neugierig war, ob sie noch nach Vlad suchten.
Als er bei Meister Wack ankam, wurde er mit den Worten begrüßt: »Ich hatte dich heute nicht hier erwartet. Wie geht es unserem Patienten?«
»Gut, als ich ihn verlassen habe, das ist etwa fünf Stunden her.«
»Hat er was gegessen?«
»Ja.«
»Kein Fieber?«
»Keins.«
»Noch schwach?«
»Sehr.«
»Hat er sich entleert?«
»Nein, nur klein.«
»Hmmm. Nicht gut, aber auch noch nicht schlecht.«
»Suchen sie weiter nach ihm?«
Der Meister nickte. »Vielleicht nicht mehr so eifrig, aber Sprecher bestand darauf, daß man die Gegend weiter absucht, bis sie sicher sind, daß er fort ist.«
»Das hört sich an, als glaubten sie, er wäre weg.«
»Sprecher wahrscheinlich ja, aber das heißt nicht viel. Ich fürchte, sie suchen weiter, und irgendwann werden sie auf die Höhlen stoßen.«
»Das kann aber lange dauern.«
»Oh ja. Es würde Tage dauern, nur die Höhlen zu durchsuchen – die sind gewaltig, verwinkelt und führen tief in die Klippen hinein. Aber trotzdem –«
»Ja. Ich hoffe, sie kommen nicht so bald darauf.«
»So oder so, Savn, der Ostländer sollte nicht allzu lange allein bleiben. Er könnte jederzeit einen Rückfall erleiden.«
»In Ordnung«, sagte Savn. »Ich gehe sofort wieder hin.«
»Nein, wenn du schon hier bist, kannst du dich auch eine Weile ausruhen. Wir können über die Prozedur sprechen, die du vollzogen hast. Ich will dir zeigen, was du eigentlich gemacht hast und warum es funktioniert hat, dann bist du beim nächsten Mal sicherer.«
Und das taten sie in der folgenden Stunde; der Meister erläuterte das Problem und die Heilmethode, während Savn aufmerksamer zuhörte als je zuvor. Es war anders, fiel ihm auf, wenn man genau wußte, weshalb man etwas tat, wenn man tatsächlich schon einmal jemanden mit dieser Verletzung gesehen hatte und lernte, wie man ihn retten konnte.
Danach verlagerte sich die Unterhaltung auf andere Gesichtspunkte der Heilkunst, und sogar hier spürte Savn eine Veränderung in der Einstellung des Meisters: er war nicht so brüsk und hatte irgendwie mehr Respekt vor Savn, als habe der sich durch die Rettung des Ostländers vor Meister Wack bewiesen.
Auf einmal brach der Meister mitten in der Erklärung jener Gedanken ab, die unbedingt von Personen ferngehalten werden müssen, denen Fieber droht, und fragte: »Was beschäftigt dich so, Savn? Irgendwas macht dir doch Sorgen.«
»Ich weiß nicht genau, Meister.«
Der sah ihn eindringlich an. »Glaubst du«, sagte er, »du hättest den Ostländer vielleicht nicht retten dürfen? Denn wenn dir das Kopfzerbrechen bereitet, kann ich dich beruhigen. Leben zu retten ist unser Beruf – und zwar jedes Leben. Manchmal sogar das von Vieh. Ja, wenn du wählen solltest, ob du einem Menschen oder einem Ostländer das Leben rettest, das wäre eine Sache. Aber in diesem Fall hast du jemanden gefunden, der verletzt war, und du hast ihn behandelt. Es ist kein Verrat an Seiner Lordschaft, wenn du deiner Berufung nachgehst.«
»Das ist es ja gar nicht, Meister. Ich glaube, es ist wegen Mä und Pä.«
»Was denn?«
»Na, die benehmen sich doch so komisch.«
»Komisch? Wie meinst du?«
»Na, irgendwie abwesend, als wären sie weit weg.«
»Erkläre, was du meinst, Savn. Sei präzise.«
»Aber das ist schwierig, Meister. Ich habe so ein Gefühl. Also, als Polyi und ich die ganze Nacht weg waren, haben sie nicht ein Wort darüber verloren.«
»Du wirst erwachsen, Savn. Das erkennen
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