Athyra
mich einfach umbringen lassen?«
»Wieso teleportierst du dich nicht fort?« schlug Savn vor.
»Pah«, machte Polyi. »Teleportieren? Wenn er das könnte, hätte er auch seinen Finger wieder ganz gemacht.«
»Polyi!« mahnte Savn.
»Zuerst mal«, begann Vlad an Polyi gerichtet, »bin ich kein Medikus. Ein Medikus, der sich mit Zauberei auskennt, hätte meine Hand heilen können, wenn ich schnell einen gefunden hätte. Jetzt wäre es sehr schwierig, und ich habe seit einiger Zeit keinen mehr getroffen, der solche Fähigkeiten besitzt.
Zweitens«, sprach er weiter, diesmal zu Savn, »versucht man niemals komplizierte Zauber – und die Teleportation ist kompliziert –, wenn man körperlich schwach ist. Es bringt den Geist in Aufruhr, und das kann verhängnisvoll sein. Ich habe es mal gemacht, als es sein mußte, und ich werde es wieder tun, wenn es nötig wird. Aber ich hatte Glück, und ich verlasse mich nicht gerne auf mein Glück.
Drittens«, sagte er nun an beide gerichtet, »beabsichtige ich in der Tat, Loraan – Baron Kleineklippe zu töten. Aber dazu bin ich augenblicklich nicht in der Verfassung. Er weiß, daß ich ihn töten will; er hat Zaum umgebracht, um mich anzulocken, damit er mich, wenn ich auf ihn losgehe, erledigen kann. Noch weiß ich nicht genau, was sich hier alles abspielt, deshalb weiß ich auch nicht, wie ich ihn töte. Und wenn doch, würde ich es euch gewiß nicht verraten. Selbst das hier hätte ich euch nicht gesagt, wenn ich mich nicht schon verplappert hätte, und wenn ich es euch nicht schuldig wäre.
Aber so ist es«, sagte er. »Ich habe euch meine Pläne dargelegt, jedenfalls soweit ich welche habe. Wenn ihr mich ausliefern wollt, kann ich euch nicht daran hindern.«
Er sah sie an und wartete. Schließlich sagte Savn: »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Ich finde, wir sollten nach Hause gehen«, sagte Polyi.
»Und dann?« fragte Savn.
»Ich weiß nicht.«
Savn sah den Ostländer an, der sie aufmerksam und ausdruckslos beobachtete. »Sie hat recht«, sagte Savn. »Wir sollten wirklich nach Hause gehen.«
»Ja«, stimmte Vlad zu. »Ich komme hier schon zurecht.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Und was auch geschieht, niemand wird mich überraschen können.«
Savn warf einen Blick auf die Jheregs und nickte.
Vlad lehnte sich an die Höhlenwand und schloß die Augen. »Ich denke, ich werde jetzt schlafen. Helft ihr mir beim Hinlegen?«
Als sie mit dem Essen fertig waren, gaben sie die Knochen den Jheregs, die anscheinend sehr erfreut waren. Savn wollte sich von Vlad verabschieden, doch der Ostländer schlief fest. Zusammen mit Polyi verließ er die Höhle und blinzelte in die helle Nachmittagssonne.
Sie gingen nach Hause.
ICH HEIRATE KEINEN SCHÖNEN SOLDATEN,
ICH HEIRATE KEINEN SCHÖNEN SOLDATEN,
AUF DEN MÜSSTE ICH BALD EWIG WARTEN.
HEISSA HEISSA BUM BUM!
EINS NACH VORN …
In unausgesprochener Übereinkunft nahmen sie den Umweg um das Dorf; folglich begegneten sie niemandem. Savn fragte sich, ob es immer noch Suchtrupps gab und ob Mä und Pä sich ihnen angeschlossen hatten. Beim Gedanken an seine Eltern erfüllte ihn leichtes Unbehagen wegen der möglichen Strafe, die sie ihm auferlegen würden, weil er die ganze Nacht fortgeblieben war, aber auch wegen etwas anderem. Er dachte darüber nach und suchte nach dem Grund, bis ihm schließlich wieder einfiel, wie seltsam sie in jener Nacht reagiert hatten, als Vlad zu ihnen gekommen war, und da wurde ihm klar, daß er keine Angst davor hatte, was Mä und Pä sagen würden, sondern davor, was sie nicht sagen würden.
Und es kam so schlimm, wie er befürchtet hatte, wenn nicht schlimmer. Mä blickte auf, nickte ihnen zu und machte sich wieder ans Enthülsen. Pä, der die Beutel zählte, lächelte nur kurz und fragte: »Savn, solltest du nicht langsam zu Meister Wack los?«
»Ja, Pä«, antwortete Savn und versuchte, das Zittern aus seiner Stimme zu halten.
»Na, dann zisch ab, Junge.«
Savn sah Polyi an, die augenscheinlich zu verbergen versuchte, wie aufgebracht sie war. Sie fragte: »Wollt ihr wissen, wo wir gewesen sind?«
»Na«, antwortete Mä, richtete sich auf und reckte sich, »jetzt seid ihr doch hier, oder nicht? Es war doch alles in Ordnung, oder nicht?«
»Ja, aber –«
Savn sah sie an, und sie verstummte.
»Wir gehen dann wieder«, sagte er.
Mä und Pä nickten abwesend und machten sich wieder an die Arbeit. Savn und Polyi sprachen erst, als sie das Haus erreichten, wo Savn seiner
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