Athyra
seltsam, und nachdem sie eine Weile darüber nachgedacht hatte, wurde ihr der Grund dafür klar, denn er konnte eben noch nicht dort gewesen sein, und sie hätte ihn näherkommen sehen müssen. Sie machte einen Bogen zurück, und da war noch einer, auch er ohne Erklärung für sein plötzliches Auftauchen. Sie erinnerte sich, daß der Versorger so etwas auch konnte, und sie beschloß, es zu berichten. Ein weiterer Bogen, und inzwischen war eine ganze Herde von den Weichen aufgetaucht, und sie lief über die Straße, die den dünnen, grasigen Wald durchschnitt.
Sie rief ihren Partner, der sofort kam. Er betrachtete sie, denn er kannte sie besser als sie; dann berichtete er dem Versorger von der Entdeckung. Eine Weile beobachteten sie sie noch, bis die Herde die Straße verließ und sich auf dem schmalen, kurvigen Pfad bewegte, der zu den Höhlen führte.
Dann kehrten sie zum Versorger zurück, um zu sehen, was er von ihnen verlangte.
ICH HEIRATE KEINEN EDELMANN,
ICH HEIRATE KEINEN EDELMANN,
WEIL DER MICH NICHT GUT BEHANDELN KANN.
HEISSA HEISSA BUM BUM!
EINS NACH VORN …
Nach und nach kamen zusammenhängende Gedanken zurück und brachten Gefühle mit wie eine Pflugschar Wurzelfasern. Savn lag ganz ruhig da und ließ die Nebel seines verwirrten Traumes langsam davonziehen und durch die Dämpfe wirklicher Erinnerungen ersetzen. Er schaute nach, ob Meister Wack tatsächlich hier war; als er ihn erblickte, preßte er die Augen fest zu, als könnte er so das Mitgefühl der Schmerzen ausblenden. Dann sah er sich um, starrte alles an, das nicht der Meister war und nicht so fürchterlich verletzt.
Der Raum hatte ungefähr drei Meter lange Wände und roch ein wenig muffig, aber nicht schlimm. Er lauschte nach wuselnden Nagetieren, hörte zu seiner Erleichterung jedoch nichts. In einer Ecke stand ein Nachttopf; da er nicht roch, war er wohl nicht benutzt worden. Es hätte, fand Savn, viel schlimmer sein können.
Das Licht war noch wie vorher; er konnte Meister Wack an der Mauer hingekauert sehen. Der Meister atmete, und die Augen standen offen. Beide Arme schienen gebrochen oder ausgerenkt und wahrscheinlich auch das linke Bein. Im Gesicht hatte er rote Stellen, wie von Ohrfeigen, aber keine Blutergüsse; er hatte keinen Kampf gehabt, er war gefoltert worden.
Als er merkte, daß Savn ihn anschaute, sprach der Meister, mit einer Stimme, die kaum ein Flüstern war, wie bei Vlad, als dessen Fieber das erstemal gebrochen war, doch er sprach sehr deutlich, jedes Wort wirkte äußerst wohlbedacht. »Hast du Traumgras dabei?«
Savn mußte er überlegen, bevor er antwortete. »Ja, Meister. In meinem Beutel.«
»Hol etwas. Wir haben nichts zu essen, aber sie haben uns einen Becher und Wasser dagelassen, dort drüben in der Ecke. Ich konnte mich noch nicht dahinbewegen.«
Savn holte den Wasserbecher und brachte ihn dem Meister. Zuerst gab er es ihm pur zu trinken, dann mischte er, so gut er ohne Mörser und Stößel konnte, Traumgras dazu. »Das reicht«, hauchte der Meister. »Ich schlucke es so. Aber du mußt mir helfen. Meine Arme –«
»Ja, Meister.« Savn half ihm dabei, das Traumgras mit dem Wasser einzunehmen.
Der Meister nickte, atmete tief ein und erschauerte am ganzen Körper. Er sagte: »Du mußt mir die Beine und Arme richten. Kannst du das?«
»Was ist gebrochen, Meister?«
»Beide Beine, beide Arme. Der linke über und unter dem Ellenbogen. Kannst du sie richten?«
»Ich erinnere mich an die Neun Wege zur Ruhigstellung der Gliedmaßen, Meister, aber was kann ich als Schiene benutzen?«
»Das ist jetzt egal, richte sie nur. Eins nach dem anderen. Ich will nicht als Krüppel durchs Leben gehen. Bin ich fiebrig?«
Savn faßte ihm an die Stirn. »Nein.«
»Gut. Wenn der Schmerz etwas nachläßt, kannst du anfangen.«
»Ich … ist gut, Meister. Ich glaube, ich kann es.«
»Du glaubst?«
»Trinkt noch etwas Wasser, Meister. Wie sieht der Raum aus? Fühlt Euer Gesicht sich schwerer an?«
Der Meister wisperte grunzend: »Ich weiß selbst, wie man erkennt, wann das Traumgras wirkt. Zumindest wird es nicht mehr so weh tun. Oh, und hast du Eddibeeren?«
Savn schaute im Beutel nach, hatte aber keine und antwortete entsprechend.
»Na gut, dann muß ich ohne zurechtkommen. Und jetzt … Hmmm. Mir wird ganz anders. Gut. Die Schmerzen lassen nach. Bist du sicher, du weißt, was du tun mußt?«
»Ja, Meister«, sagte Savn. »Wer hat Euch das angetan?«
Mit flackernden Augen und noch leiserer Stimme
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