Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
automatische Lenkdrohne, die dicht über dem Gelände mit extrem hoher Geschwindigkeit flog. Ausgestattet war sie mit Antiortungs- und Stealthtechnik vom Neuesten, was die USO-Werkstätten zu bieten hatten. Die Drohne entfaltete zwei waagerechte Arme, zwischen denen ein schwarzwallendes Transmitterfeld parallel zum Erdboden entstand.
Inzwischen hatte ich meine Gefährten davon unterrichtet, was ich vorhatte.
Ti Sun öffnete die Frachtzellentür. Die Drohne schwebte einen Meter unter und neben dem Gleiter, die Arme ausgebreitet, zwischen denen sich ein fünf Meter durchmessendes, pechschwarzes Tuch zu spannen schien. Wolken trieben träge unter uns vorbei.
»Keine Angst, Ti Sun«, rief ich nach hinten, um das Windrauschen zu übertönen. »Schau’s dir erst an. Trilith, du zuerst.«
Die Psi-Kämpferin nickte, nahm Pöör auf den Arm und ließ sich in das schwarze Feld hinein fallen. Sie verschwand, als ob sie in einen Teich mit Morast gesprungen wäre. Pöörs protestierendes Quieken brach abrupt ab.
»Neife?«
Die ehemalige Geheimdienstchefin sah mich einen Moment mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, dann sprang auch sie. Ich wusste, wir würden in der Gegenstation von oben aus dem Empfängerfeld fallen und von einem Antigravkissen aufgefangen werden.
»Jetzt du, Ti Sun.« Arturs Tochter war in ihrem ganzen Leben noch nie durch einen Transmitter gegangen. Dennoch schloss sie die Augen und sprang mutig und ohne Zögern in das wallende Nichts.
Artur programmierte einen Kurs, der den Gleiter auf einem öffentlichen Parkplatz in Edbarsk absetzen würde. Er stellte den Countdown auf 60 Sekunden ein. Gemeinsam gingen wir nach hinten in die Frachtzelle. Der massige Mann brummte unwirsch, als er nach draußen blickte.
»Warum sollte ich Ihnen derart vertrauen, Koramal?«, fragte er, als wir unmittelbar vor der Öffnung standen. Unter den Wolken mäanderte ein breiter Fluss, vermutlich die Dwadunaj.
Ich zog die Plakette hervor, die mir Patty mitgegeben hatte, das Verdienstabzeichen 1. Klasse für besondere Einsätze der Unionsflotte. Lokwenadse erkannte sie sogleich wieder. Ungläubig nahm er sie in die Hand.
»Woher haben Sie die?«
»Sie sagte, ich soll Sie an Perendez IV erinnern. Patty hat mir vertraut.«
Artur kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Ich hielt seinem Blick stand. Er fuhr sich mit der Hand durch den Bart. Dann sprang er ohne ein weiteres Wort.
Ich bestätigte den Schließmechanismus der Frachttür, wartete, bis die Motoren summend griffen, zwängte mich durch den enger werdenden Spalt und ließ mich in das Transportfeld fallen.
Das Versteck der USO-Spezialisten lag im untersten Verlies einer zu einem Hotel umgebauten ehemaligen Wohnburg mitten in Genzez.
Der bekannte Ugorh-Kanal verlief ganz in der Nähe. Manche der Einrichtungen waren in den rohen Fels gehauen. Das Ganze wirkte ein wenig wie die Fledermaushöhle einer altterranischen Comic-Figur.
Der Leiter der USO-Niederlassung hieß tatsächlich Shaef’al ben Rudir und arbeitete offiziell als Revisor der Finanzadministration im Ambar Pozdno.
Die angebliche Firma Baum & Blume existierte nur als Datennetz-Adresse.
Shaef’al ben Rudir war ebenso charmant wie groß und übergewichtig – zumindest in seiner Charaktermaske. Ich kannte ihn flüchtig. In Wahrheit war er ein schmaler, kleiner Mann mit einem Hang zum Asketen.
Er hieß uns willkommen und wies uns »in seinem Kerker«, wie er es nannte, Notquartiere an. In aller Eile setzten wir ihn über unser Anliegen, in Ponter Nastases Nähe zu gelangen, in Kenntnis. Im Gegenzug vermittelte er uns ein Bild über die Lage in der Stadt. Die Unruhen weiteten sich aus.
»Es hat den Anschein«, schloss Shaef’al ben Rudir, »als ob Nastase-Parteigänger und Varidis-Befürworter zu gleichen Teilen die Stimmung aufheizen. Beiden Lagern ist die Situation offenbar nicht unlieb. Militär und Obhutskräfte schüren die Aggressionen zusätzlich, als hätten sie entsprechende Weisungen erhalten. Wenn das so weitergeht, steuert alles auf einen Ausnahmezustand hin.«
»Das ist es, was er will«, vermutete ich. »Auf dem Höhepunkt wird er mit Pauken und Trompeten erscheinen, um Rudyn den Frieden zurückzugeben.«
»Und um Rudyn endgültig die verbliebenen Reste an Freiheit zu nehmen«, murmelte Neife dumpf. »Das ist das Gegenteil dessen, was ich will.«
»Hat er öffentliche Auftritte angekündigt?«, fragte ich ben Rudir.
»Nur einen. Er will eine Regierungserklärung abgeben.
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