Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
eiligst einberufenen Pressekonferenz an Bord der ZUIM.
Sein eingefallenes Gesicht unter den stumpfgrauen Haaren spiegelte die Schwere der Krise, von der er sprach.
»Als meinen Nachfolger bestimme ich meinen Kollegen Ponter Nastase. Als letzte Amtshandlung rufe ich hiermit den sofortigen Notstand der Union aus und lege das Generalkalfaktat ebenso vertrauens- wie hoffnungsvoll in seine Hände. Das Ratsgremium der einundzwanzig Kalfaktoren ist unter dem Umstand von acht Todesfällen, zwei Verhaftungen und vier fahnenflüchtigen Regierungsmitgliedern nicht mehr beschluss- und handlungsfähig. Die Notstandsregelung und damit die alleinige Befehlsgewalt eines außerordentlichen Generalkalfaktors gilt verfassungsgemäß für ein halbes Jahr von heute an. Möge diese Frist Ponter Nastase die Gelegenheit geben, die Geschicke der Zentralgalaktischen Union wieder auf ein sicheres Podest zu führen. Ich glaube fest daran, dass ihm dies in der ihm eigenen umsichtigen Art gelingen wird. Ich schenke ihm mein vollstes Vertrauen und wünsche ihm für die vor uns liegenden Aufgaben jeden nur erdenklichen Erfolg. Meine Damen und Herren – bitte erheben Sie sich zur Vereidigung des Außerordentlichen Generalkalfaktors Ponter Nastase!«
Vierzehn Minuten später war der Rat der 21 Kalfaktoren aufgelöst.
Für ein halbes Jahr lag damit alle Macht in den Händen eines Mannes.
Ein halbes Jahr … oder eine halbe Ewigkeit. Es machte keinen Unterschied. Erst in diesem Augenblick, als ihm der purpurrote Ehrenmantel um die Schultern gelegt wurde, begriff er in voller Konsequenz, was Männer wie Dabrifa, Frascati, Shilter und Vigeland aus der Masse hervorhob und immer hervorheben würde: Es war das Wissen um die Nichtigkeit der Anliegen bedeutungsloser Sterblicher.
Hochaufgerichtet nahm Ponter Nastase auf dem Podium die Glückwünsche der Anwesenden entgegen.
Er ließ seinen Blick über die Versammlung schweifen, nahm mit seinen gesteigerten Sinnen jede Einzelheit, jede noch so kleine Geste auf.
Seine gekrümmte Haltung, die er sonst zeigte, war völlig verschwunden. Geblieben war seine körperlich spürbare Präsenz, die den Konferenzsaal an Bord der ZUIM vollständig ausfüllte. Hinzugetreten war eine seltsame Aura von Macht, eine Ausstrahlung, die nicht länger auf kleinliche Ämter und zeitlich befristete Würden angewiesen war.
Es war etwas Grundlegenderes, Umfassenderes, Unfasslicheres.
Ponter Nastase erkannte es an den Augen Tratjena Murgas, der dunkelrothaarigen Offizierin des Wissenschaftlichen Überwachungskorps, die inmitten der Menge der Gratulanten stand und ihn anstarrte.
Er brauchte sie spät in der Nacht nicht erst zu sich zu rufen.
Sie kam von allein.
Atlan; Gegenwart
Sie waren zu siebt.
Vier Männer, drei Frauen. Die Männer hielten altertümliche Strahlenkarabiner in den Händen, deren Läufe unmissverständlich in unsere Richtung wiesen. Die Frauen führten Tiere an etwas, das ich im blendenden Licht der Lampen zunächst für dünne Leinen hielt; dann sah ich, dass sie die Schwänze der etwa fünf Meter langen Wesen umklammerten.
Die im ersten Moment an Riesenschlangen oder überdimensionale Würmer gemahnenden Wesen besaßen acht Stummelbeine, die in breiten Pfoten endeten; ihr »Gang« war eine Mischung aus Schlängeln, Kriechen und dackelartigem Tapsen. Der Kopf war annähernd kugelförmig; feinste Härchen umgaben einen kreisrunden Mund, aus dem eine lange Zunge wie bei Eidechsen immer wieder hervorzuckte. Offenbar witterten die Tiere damit. Je zwei große Augen unter schweren ledrigen Lidern blickten aufmerksam zu uns herüber. Oberhalb fuhren zwei an Schnecken erinnernde Fühler aus und ein. Anstelle einer Nase besaßen sie zwei Riechöffnungen, wie ich sie von terranischen Seelöwen her kannte. Die breiteste Stelle des Körpers war der etwa fünfzehn Zentimeter durchmessende, kugelige Kopf; dahinter verjüngte sich der Leib, bis er in Schwänzen von nur noch Daumenstärke auslief. Die Wesen trugen weder Fell noch Schuppen, sondern eine wie nass schimmernde, rötliche Haut.
Die Santuasi – ich war sicher, dass es sich bei den Ankömmlingen um die gesuchten Berg-Rudyner handelte – waren in unterschiedlich geschnittene Kleidungsstücke aus Leder gehüllt: Stiefel, Hosen, gepolsterte Jacken, Beutel und Taschen, die sie an ihren Gürteln trugen – alles bestand aus demselben hellbraunen Material.
Die Frauen waren unbewaffnet, soweit ich es erkennen konnte. Allerdings mochten die
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