Atlan 08 - Illochim 02 - Im Bann der Gatusain
Masken waren abgelegt, die Verkleidungen eingemottet. Die Weinhändler hatten ihre Schuldigkeit getan, meine Leute sahen wieder wie USO-Agenten aus.
»Sie sehen ausgeruht aus«, empfing mich Cleany Havedge. Der Kurator hielt sich wieder in der Zentrale auf. Sie hatte es ihm, wie alles in diesem Schiff, angetan. Tristan Li war ebenfalls anwesend.
»Warum holen wir Greta nicht endlich ein?«, drängte der junge Mann, kaum dass ich in meinem Sessel Platz genommen hatte.
»Das ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen.« Ich lächelte. Einen Vorwurf machen konnte ich ihm nicht, schließlich sprach er nur aus, was auch mich selbst bewegte.
»Ich dachte immer, die USO verfügt über unbegrenzte Macht. Ich habe eine Menge Geschichten über Männer wie Ronald Tekener und Sinclair Marout Kennon gehört, über Melbar Kasom und Lemy Danger. Allzu viel Wahres scheint da nicht dran zu sein, wenn wir mit einem USO-Kreuzer nicht mal ein ziviles Raumschiff einholen.«
Die Erinnerung an den vor einem halben Jahr verstorbenen Lemy Danger versetzte mir einen Stich. Ich musste mich zusammennehmen, um den jungen Mann nicht in seine Schranken zu weisen. »Man sollte nicht alles glauben, was man hört«, brummte ich.
»Der Lordadmiral tut, was in seiner Macht steht. Sie müssen sich gedulden, Tristan«, redete Havedge beruhigend auf Li ein. »Nicht mal eine Organisation wie die USO kann zaubern.«
»Sie haben recht, Cleany. Ich darf nicht zu viel erwarten. Es ist die Angst zu sterben, bevor ich Greta erwische. Verzeihen Sie, Lordadmiral. Es steht mir nicht zu, Ihnen Vorwürfe zu machen.«
»Schon gut. Wir sind alle angespannt.« Aus den gewechselten Worten der beiden Männer schloss ich, dass sie sich anzufreunden begannen. Das war eine Entwicklung, die mich freute. Tristan brauchte jemanden außerhalb des Ärztestabes, der sich um ihn kümmerte. Ich ließ mir von den letzten Untersuchungen berichten und hörte mit steinerner Miene zu.
Die Befürchtungen bestätigten sich, wenn Cyriane Drays und ihre Mediziner nicht ein Wunder vollbrachten. Tristans Tage schienen gezählt. Ich betrachtete ihn unauffällig. Er machte einen gesunden Eindruck, wirkte frisch, sogar fröhlich. Ein Aufenthalt in dem Sarkophag wirkte wahre Wunder und löste Euphoriegefühle aus. Ich erlebte es bei mir selbst.
Vor wenigen Stunden war ich depressiv gewesen, nun himmelhoch jauchzend. Ich hätte es mit der ganzen Welt aufnehmen können. Mein Verstand blieb dabei unbeeinflusst. Keine Sekunde vergaß ich, woher meine Stimmung rührte. Das Wissen darum relativierte meinen Überschwang. Mein Blick wanderte über Tristans Gesicht. Trotz seiner momentanen Hochphase zeigten die Schatten unter seinen Augen, dass etwas mit ihm geschah.
Du siehst in einen zukünftigen Spiegel deiner selbst , orakelte der Extrasinn. Die Entwicklung bei Li ist weiter vorangeschritten als bei dir, weil er das Artefakt lange vor dir benutzte. Doch auch du wirst den Punkt erreichen, an dem Er bereits angelangt ist.
Der Zeilaktivator schützt mich , antwortete ich. Dazu meine Mentalstabilisierung, die ARK SUMMIA, meine Dagor-Fähigkeiten und meine Lebenserfahrung.
Sie verlangsamen den Effekt, schützen dich aber nicht. Begeh nicht den Fehler, dir das einzureden. Denn täten sie es wirklich, wärst du nicht abhängig geworden. Ich sehe dich in Lis Zustand. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich empfehle dir dringend, dich an die Medikerin zu wenden.
Sie kann Tristan nicht helfen, also vermag sie es auch bei mir nicht.
Der Extrasinn schwieg, für mich die Bestätigung dafür, dass er das Argument akzeptierte.
»Tristan hat einen Unterschied in den Inhalten der beiden Sarkophage aufgedeckt«, sagte Cleany Havedge. »Demnach scheinen sich die Einflüsterungen an zwei verschiedene Adressatengruppen zu richten.« Der Kurator machte eine auffordernde Handbewegung in Richtung des Jungen.
Li ergriff das Wort und erzählte mir, was ihm aufgefallen war. Demzufolge förderte der eine Sarkophag Machtgefühle und den absoluten Drang zur Macht, während in meinem ein gewisses kontrollierendes Element im Vordergrund stand. Der Extrasinn hatte mich bereits schon zu der Überlegung angeregt, dass die kleinere Muschel seinerzeit für die Menschen bestimmt war, die größere für die Illochim.
Es ist also dein Sarkophag , wisperte mein Logiksektor spöttisch. Du hast ihn gedanklich bereits persönlich vereinnahmt.
Ich wähle die Bezeichnung lediglich, um zwischen beiden Artefakten eindeutig zu
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