Atlan TH 0002 – Schergen der SOL
voran. Überall lagen Trümmerstücke herum, immer wieder stolperte man beim Gehen, blieb der Fuß an irgendeinem Vorsprung hängen.
»Endlich!« Tordya atmete schwer. Sie konnte den glatten Boden sehen, die metallenen Wände, das helle Licht. Sie zog Kav Wergen hinter sich her auf das Licht zu. Hinter den beiden folgte der Rest ihrer stark dezimierten Streitmacht.
Am Ausgang der Halle blieb Kav Wergen stehen. Er wandte den Blick zurück. Da waren sie! Sie kauerten im Dämmerlicht, in der Schattenzone zwischen den hell erleuchteten Gängen und der Düsternis ihres Lebensraums. Es waren erschreckende Kreaturen. Riesen und Zwerge. Bedauernswert und tödlich zugleich. Ihnen allen gemeinsam waren die schrecklichen körperlichen Deformationen, die sie wilden Tieren ähnlicher machten als den Menschen, von denen sie abstammten.
Die Monster wagten es nicht, die Dämmerzone zu verlassen. Ihr Leben spielte sich im Halbdunkel ab. Das Licht war die Domäne der Solaner.
Kav Wergen musterte seine verbliebenen Begleiter. Fünf davon fehlten. Die Monster hatten sie erwischt.
»Warum sind wir hier, Kav?«, flüsterte Tordya. Ihre Augen glänzten feucht. Der Buhrlo holte tief Luft. Er suchte nach Worten, nach etwas, das er der Frau sagen konnte, doch da war nur diese schmerzhafte Leere in seinem Kopf. Der Tod seiner Mitstreiter war seine Schuld, seine Verantwortung. Er hatte sie zum Mitkommen überredet. Dennoch war er davon überzeugt, dass er das Richtige tat, dass es wichtig war, Tengor und dem Ahlnaten zu folgen.
»Sie sind hier vorbeigekommen«, sagte er leise. »Du kannst die Spuren sehen.« In der dünnen Staubschicht auf dem Boden zeichneten sich die Fußabdrücke zweier Männer ab.
Schweigend machten sie sich wieder auf den Weg. Keiner der Männer und Frauen wusste, was ihre Suche ergeben würde, auch Kav Wergen nicht. Er ahnte nur, dass er einem Geheimnis auf der Spur war, das nicht nur für ihn von immenser Bedeutung sein konnte.
16.
Ein kastenförmiger Kopf mit grotesken Auswüchsen an den Seiten und der Spitze. Zwei Augen, umgeben von einem Kranz erloschener Lämpchen. Eine kreisrunde Öffnung mitten im kantigen Gesicht, darunter, gerade noch erkennbar, ein quer verlaufender Schlitz. Dazu der quaderförmige Körper mit grob und ungeschlacht wirkenden Armen und Beinen.
Ein Roboter. Nein, eher die Karikatur eines Roboters. Ein Anachronismus ganz besonderer Art. So plump und primitiv hatten nicht einmal die allerersten Maschinenmenschen ausgesehen, die in der Frühzeit des Solaren Imperiums gebaut worden waren. Und doch war dieser Roboter einmalig. Sein Name war mit großen schwarzen Buchstaben auf den ansonsten blau gefärbten Körper geschrieben:
Romeo.
»Ich wusste es.« Der High Sideryt erweckte einen beinahe ehrfürchtigen Eindruck. Seine Stimme klang heiser. »Mehr als zwei Jahrhunderte, und er ist immer noch hier.«
Wort Danyl lächelte unsicher. Was meinte Deccon? Natürlich war der Roboter hier. Alle Mitglieder der höheren Kasten wussten das. Immerhin hatte er sich nicht geirrt. Dass der High Sideryt ihn nach den Schläfern befragt hatte, war dem Ahlnaten nicht geheuer gewesen. Die Frage nach einer Verbindung mit SENECA hatte ihn noch mehr verwirrt. Dann aber hatte sich der Ahlnate erinnert und seinen Begleiter an das Ende dieses langen Korridors geführt. Zu Romeo.
Der Roboter konnte sich nicht von der Stelle rühren, denn er war mit seinen gesamten zweieinhalb Metern Höhe in einen massiven Block aus einem glasähnlichen Material – wahrscheinlich Synthoquarz – eingegossen worden. Dass der High Sideryt der Maschine geradezu andächtig begegnete, verdutzte Wort Danyl einmal mehr.
»Was ist hier geschehen?«, fragte der Mann, der sich Jon Tengor nannte. »Warum hat man diesen Roboter stillgelegt? Und warum auf so ungewöhnliche Art und Weise?«
Wort Danyl begriff gar nichts mehr. Meinte der High Sideryt seine Fragen ernst? Das Oberhaupt der SOLAG musste doch die Antworten besser als jeder andere Solaner kennen. Sollte sich der Ahlnate geirrt haben? War dieser Mann gar nicht der High Sideryt? Aber warum gab er sich dann als solcher aus?
»Ich weiß es nicht«, sagte er langsam.
»Existiert eine Möglichkeit, die Maschine zu befreien?«, wollte Tengor wissen. Wieder eine Frage, die keinen Sinn ergab, weil ein Chart Deccon sie niemals gestellt hätte.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Wort Danyl und gab damit nicht nur Auskunft, sondern beschrieb gleichzeitig seinen Gemütszustand.
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