Atlan TH 0007 – Flucht der Solaner
Grundbedürfnisse jeden Individuums ist die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft sowie die Interaktion mit selbiger. Dies gilt mit veränderten Vorzeichen auch für den Herrn in den Kuppeln.«
»Und du bist dir da sicher?«, wollte Joscan Hellmut wissen.
»Absolut. Es ist dem Rechengehirn gar nicht bewusst, dass es gegenüber den nach Mausefalle VII verschleppten Raumfahrern grausam handelt. Es begreift nicht, dass die Gestrandeten zu Gefangenen geworden sind. Es versucht mit aller Kraft, einen Sinn für seine Existenz zu finden. Dieser Selbstfindungsprozess läuft seit der Zeit, als der Aufbau der Einrichtungen im Mausefalle-System abgeschlossen war und der Großteil der Kapazität des Rechners ungenutzt blieb. In gewisser Weise sucht und bettelt der Herr in den Kuppeln voller Verzweiflung um Hilfe. Er sucht eine neue Aufgabe.«
»Eine Lösung des Problems könnte also darin bestehen, dass wir dem Großrechner die negativen Folgen seines Handelns klarmachen und ihm darüber hinaus einen moralischen Kodex geben.« Joscan Hellmut rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Im Prinzip ja«, stimmte Y'Man zu. »Allerdings ist der Herr in den Kuppeln Argumenten nicht zugänglich. Bisher ist jeder entsprechende Versuch fehlgeschlagen. Also habe ich meine Bemühungen auf eher subtile Weise fortgesetzt und den Bewohnern der Robotstadt die Flucht ermöglicht. Zumindest jenen, die sich nicht einfach willenlos in ihr Schicksal ergaben.«
»Du hast gehofft, den Herrn in den Kuppeln dadurch nachdenklich zu machen, nicht wahr?«, fragte Atlan.
»Ja«, gab Y'Man zu. »Leider hat das nicht funktioniert. Die vielen erfolgreichen Fluchtversuche vermochten das Rechengehirn nicht zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen. Dennoch bleibt mir nichts weiter übrig, als meinen Weg fortzusetzen.«
Der Arkonide stieß ein kurzes, sarkastisches Lachen aus.
»Ansonsten kann ich nur hoffen, dass die Bemühungen der in der Stadt der Vergessenen lebenden Gestrandeten eines nicht zu fernen Tages erfolgreich sind und sie eine andere Möglichkeit finden, die Lage zu entschärfen.«
Die Bildschirme stellten ihr Flackern ein und verblassten langsam. »Ist das alles, was du uns berichten kannst?«, stellte Atlan hastig eine letzte Frage.
»Es gibt nichts mehr zu sagen. Ihr wisst alles, was ihr wissen müsst. Den Preis dafür werdet ihr in Kürze zahlen.«
Die Halbkugel verlor ihre Transparenz. Das Arbeitsgeräusch der Lautsprecher hörte auf. Akitar legte Atlan die Hand auf die Schulter.
»Gehen wir«, sagte er. »Es ist nicht mehr lange hell. Ihr werdet müde und hungrig sein.«
Atlan nickte. Eine Überlegung ging ihm nach wie vor nicht aus dem Sinn. Ohne sagen zu können, wie er zu dieser Ansicht kam, glaubte er immer noch, dass Y'Man im Einverständnis mit dem Herrn in den Kuppeln handelte. Von dieser Überlegung war es nicht mehr weit bis zum Verdacht, dass Y'Man entweder ein Teil des großen Robotgehirns oder gar dieses selbst war.
Warum hatte sich der geheimnisvolle Anführer nicht gezeigt und damit alle Zweifel beseitigt? Warum hatte er Atlans Verdächtigungen so vehement abgelehnt und als absurd bezeichnet, im Gegenzug aber keine überzeugenden Beweise für deren Unrichtigkeit geliefert? Und was hatte er mit dem Preis gemeint, den sie angeblich für die neuen Informationen zahlen mussten?
Atlan wandte sich während des Gehens an Joscan Hellmut und erläuterte ihm leise seine Gedanken.
»Möglicherweise ist das Robotgehirn im technischen Sinn schizophren«, vermutete der Kybernetiker. »Als Herr in den Kuppeln handelt es so, und als Y'Man handelt es anders.«
Gavro Yaal knurrte. »Ich bin Kosmobiologe, kein Robotpsychiater. Wenn es nach mir ginge, würde ich den verrückten Rechenheini einfach mit meinem Strahler therapieren. Glaubt mir, da ist der Erfolg garantiert.«
Joscan Hellmut stöhnte auf, sagte aber nichts mehr.
Sie brauchten fast eine Stunde, bis sie wieder auf der geröllübersäten Brücke außerhalb des Gebäudes standen. Es herrschte ein seltsames Zwielicht, das einige der Wolkengebilde geradezu plastisch hervortreten ließ, als würden sich jeden Moment gigantische Spalten öffnen und endlich den Blick auf die Sterne freigeben. Akitar brachte die vier enttäuschten Männer auf verschlungenen Pfaden in die Nähe jenes Gebäudes, das sie schon kannten und in dessen Keller die Nahrungsmittelzentrale der Stadt untergebracht war.
»Dort unten ist es warm, und ihr werdet alles finden, was ihr für euer leibliches Wohl
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