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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sagen.
    Bei der ersten Etagenversammlung war Dearie allein gewesen; diesmal hatte er Unterstützung. An der grünen Schlackensteinwand, die Hände im Schoß gefaltet, die Knie geziert aneinandergepresst, saß Sven Garretsen, der Dekan für männliche Studenten. Er sagte während dieser Versammlung so gut wie nichts, sondern schaute nur gütig drein, selbst als es einigermaßen heiß herging. Neben Dearie stand ein Mann, der einen schwarzen Überzieher über einem schwarzgrauen Anzug trug und aussah wie ein Kerl, der die Dinge in die Hand nimmt. Das war Ebersole, der Disziplinarbeamte.
    Nachdem wir auf den Stühlen Platz genommen und die Raucher unter uns ihre Zigaretten angezündet hatten, schaute Dearie sich zuerst zu Garretsen um und warf dann Ebersole einen Blick zu. Ebersole schenkte ihm ein kleines Lächeln. »Nur zu, David. Bitte. Es sind Ihre Jungen.«
    Das wurmte mich mächtig. Ich mochte vieles sein, darunter auch ein Fiesling, der über Krüppel lachte, die im strömenden Regen hinfielen, aber Dearie Dearborns Junge war ich nicht.
    Dearie umfasste das Rednerpult und sah uns feierlich an. Vielleicht dachte er (weit hinten in jenem Teil seines Gehirns, der ausdrücklich für verschwommene Wunschträume reserviert war), dass ein Tag kommen würde, an dem er sich auf diese Weise an seine Stabsoffiziere wenden und einen gewaltigen Strom von Soldaten in Richtung Hanoi in Bewegung setzen würde.

    »Jones ist nicht da«, sagte er schließlich. Es klang bedeutungsschwer und abgedroschen, wie ein Satz aus einem Charles-Bronson-Film.
    »Er ist in der Krankenstation«, sagte ich und genoss die Überraschung auf Dearies Gesicht. Ebersole wirkte ebenfalls überrascht. Garretsen schaute einfach nur weiterhin gütig in die mittlere Entfernung, wie jemand, der drei Pfeifchen geraucht hatte und dementsprechend high war.
    »Was ist denn mit ihm passiert?«, fragte Dearie. Das stand nicht im Skript - weder in dem, das er allein ausgearbeitet hatte, noch in dem, das er zusammen mit Ebersole vorbereitet hatte -, und Dearie runzelte die Stirn. Außerdem umfasste er das Rednerpult fester, als befürchtete er, es könnte wegfliegen.
    »Rumms bumms auf die Nase geplumpst«, sagte Ronnie und plusterte sich auf, als die Umsitzenden lachten. »Außerdem hat er’ne Lungenentzündung oder beidseitige Bronchitis oder irgend so was, glaube ich.« Er fing Skips Blick auf, und ich glaubte zu sehen, dass Skip kaum merklich nickte. Dies war Skips Show, nicht die von Dearie, aber wenn wir Glück hatten - wenn Stoke Glück hatte -, würden die drei da vorn das gar nicht bemerken.
    »Erzählt mir das von Anfang an«, sagte Dearie. Das Stirnrunzeln wurde zu einer finsteren Miene. So hatte er dreingeschaut, als er entdeckt hatte, dass jemand seine Tür mit Rasiercreme eingeschmiert hatte.
    Skip erzählte Dearie und seinen neuen Freunden, dass wir Stoke von den Fenstern des Aufenthaltsraums im zweiten Stock aus zum Palast in der Prärie hatten gehen sehen, dass er ins Wasser gefallen war, dass wir ihn gerettet und in die Krankenstation gebracht hatten und dass der Arzt gesagt
hatte, Stoke sei schwer krank. Der Doc hatte nichts dergleichen gesagt, aber das war auch nicht nötig gewesen. Diejenigen von uns, die Stokes Haut berührt hatten, wussten, dass er Fieber hatte, und wir hatten alle dieses schreckliche Husten tief in seiner Brust gehört. Skip sagte nichts von dem Tempo, das Stoke angeschlagen hatte, als wollte er die ganze Welt umbringen und dann selbst sterben, und er sagte auch nichts davon, wie wir gelacht hatten, Mark St. Pierre sogar so heftig, dass er sich in die Hose gemacht hatte.
    Als Skip fertig war, warf Dearie Ebersole einen unsicheren Blick zu. Ebersole erwiderte ihn mit ausdrucksloser Miene. Hinter ihnen trug Garretsen weiterhin sein kleines Buddha-Lächeln zur Schau. Es war klar, was das bedeutete. Dies war Dearies Show. Nun sollte er auch bitte eine Show abziehen.
    Dearie holte tief Luft und sah uns an. »Wir glauben, dass Stokely Jones für den Akt von Vandalismus und Erregung öffentlichen Ärgernisses verantwortlich ist, der heute Morgen zu einer uns unbekannten Zeit an der Nordseite von Chamberlain Hall verübt wurde.«
    Ich gebe hier nur genau wieder, was er sagte, ohne ein einziges Wort zu erfinden. Abgesehen von »Es erwies sich als nötig, das Dorf zu zerstören, um es zu retten«, war dies vielleicht das vollendetste Beispiel von Herrenmenschenkauderwelsch, das ich je in meinem Leben gehört habe.
    Ich glaube, Dearie

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