Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
neue Lieutenant, und auf einmal musste er einen Haufen Verrückter befehligen, die jeden umbringen wollten, den sie sahen - Kinder, alte Männer, alte mamasans mit roten chinesischen Schuhen.
    Die Hubschrauber waren um zehn Uhr abgestürzt. Gegen fünf nach zwei stieß Ronnie Malenfant der alten Frau zuerst das Bajonett in den Bauch und verkündete anschließend, dass er der Mistsau jetzt den Kopf abschneiden werde. Ungefähr um Viertel nach vier und keine vier Kilometer entfernt flog John Sullivan die Welt um die Ohren. Das war sein großer Tag in der Provinz Dong Ha gewesen, seine rilly big shew .
    Dieffenbaker hatte zwischen zwei Hütten am Kopfende der einzigen Straße des Dorfes gestanden und wie ein verängstigter Sechzehnjähriger ausgesehen. Aber er war keine sechzehn gewesen, sondern fünfundzwanzig, mehrere Jahre älter als Sully und die meisten anderen. Der Einzige andere, der so alt war wie Deef und denselben Rang hatte, war Willie Shearman, und Willie schien nicht eingreifen zu wollen. Vielleicht hatte ihn die Rettungsoperation an jenem Vormittag erschöpft. Vielleicht hatte er auch gesehen, dass sich wieder mal die Jungs von Delta zwo-zwo an die Spitze des Angriffs gesetzt hatten.
    Malenfant schrie, die verdammten schlitzäugigen Congs würden es sich noch mal überlegen, ob sie sich mit Delta
Lightning anlegen wollten, wenn sie ein paar Dutzend aufgespießte Köpfe sähen. Immer weiter, mit dieser schrillen, durchdringenden Telefonverkäuferstimme. Der Kartenspieler. Mr. Kartenhai. Pags hatte seine Mundharmonikas; Malenfant hatte sein verdammtes Kartenspiel. Hearts, das war Malenfants Spiel. Zehn Cent pro Punkt, wenn es nach ihm ging, einen Nickel pro Punkt, wenn er sich damit nicht durchsetzen konnte. Kommt schon, Jungs!, rief er mit seiner schrillen Stimme, einer Stimme, die - das schwor Sully - Nasenbluten auslösen und Heuschrecken im Flug töten konnte. Kommt schon, drückt die Kohle ab, wir jagen die Schlampe!
    Sully erinnerte sich daran, wie er auf der Straße gestanden und in das blasse, erschöpfte, verwirrte Gesicht des neuen Lieutenants geschaut hatte. Er erinnerte sich daran, dass er gedacht hatte: Er bringt es nicht fertig. Was auch getan werden muss, um dem ein Ende zu machen, bevor es wirklich losgeht, er bringt es nicht fertig. Aber dann riss Dieffenbaker sich zusammen und nickte Sly Slocum zu. Und Slocum zögerte keine Sekunde. Slocum, der dort auf der Straße neben einem umgekippten Küchenstuhl mit Chrombeinen und roter Sitzfläche stand, hatte sein Gewehr angelegt, gezielt und Ralph Clemson sauber den Kopf weggeschossen. Pagano, der in der Nähe stand und Malenfant mit offenem Mund anstarrte, schien kaum wahrzunehmen, dass er praktisch von Kopf bis Fuß vollgespritzt wurde. Clemson fiel tot auf die Straße, und damit war die Party vorbei. Game over, Baby.
     
    Inzwischen hatte Dieffenbaker eine beachtliche Golfwampe und trug eine Bifokalbrille. Außerdem hatte er kaum noch
Haare auf dem Kopf. Das erstaunte Sully, weil Deef noch vor fünf Jahren - beim Treffen der Einheit in Jersey - ziemlich volles Haar gehabt hatte. Damals hatte Sully sich geschworen, dass er nie wieder mit diesen Typen feiern würde. Sie wurden nicht besser. Sie wurden nicht umgänglicher. Bei jedem Treffen hatten sie mehr Ähnlichkeit mit der Besetzung von Seinfeld auf einem richtig üblen Trip.
    »Kommst du mit raus, eine rauchen?«, fragte der neue Lieutenant. »Oder hast du’s auch aufgegeben, als alle anderen damit aufgehört haben?«
    »Ja, ich hab’s aufgegeben, wie alle anderen.« Sie hatten mittlerweile ein Stück links vom Sarg gestanden, damit die anderen Trauergäste einen Blick hineinwerfen und dann an ihnen vorbeigehen konnten. Sie sprachen leise, und die Musik vom Band, dieser öde Erlösungs-Soundtrack, übertönte mühelos ihre Stimmen. Im Moment lief gerade »The Old Rugged Cross«, glaubte Sully.
    Er sagte: »Ich schätze, Pags hätte lieber …«
    »›Goin’ Up the Country‹ oder ›Let’s Work Together‹ gehört«, beendete Dieffenbaker den Satz grinsend.
    Sully grinste zurück. Es war einer jener unerwarteten Momente, wie wenn die Sonne an einem verregneten Tag einmal kurz durchkam, einer jener Momente, in denen es in Ordnung war, sich an etwas zu erinnern - in denen man erstaunlicherweise beinahe froh war, dabei gewesen zu sein. »Oder vielleicht ›Boom Boom‹, in der Fassung der Animals«, sagte er.
    »Weißt du noch, wie Sly Slocum Pags erklärt hat, er würde ihm die

Weitere Kostenlose Bücher