Atlantis
ihren Zähnen, und sie lesen alle die Post . Sofern sie im Einzugsgebiet der Post wohnen, heißt das. Was glaubst du, was sie machen, wenn nicht?«
»Paul Harvey hören«, sagte Sully prompt, und Dieffenbaker lachte.
Sully erinnerte sich an Hack, der am Tag mit den Hubschraubern, dem Dorf und dem Hinterhalt ebenfalls dabei gewesen war. Ein blonder Junge mit ansteckendem Lachen. Hatte sich ein Bild von seiner Freundin laminieren lassen, damit es in der Feuchtigkeit nicht zerfiel, und trug es an einer kleinen silbernen Kette um den Hals. Hackermeyer war direkt neben Sully gewesen, als sie ins Dorf kamen und das Geballer losging. Beide sahen, wie die alte mamasan
mit erhobenen Händen aus ihrer Hütte kam, in einem Affenzahn vor sich hin schnatternd, und auf Malenfant, Clemson, Peasley, Mims und die anderen einplapperte, die das ganze Dorf zusammenschossen. Mims hatte einem kleinen Jungen eine Kugel durch den Unterschenkel gejagt, vielleicht aus Versehen. Der Junge lag vor einer der schäbigen kleinen Hütten im Dreck und schrie. Die alte mamasan entschied, dass Malenfant das Kommando hatte - wieso auch nicht? Malenfant war derjenige, der pausenlos herumbrüllte -, und lief auf ihn zu, wobei sie immer noch die Hände in der Luft schwenkte. Sully hätte ihr sagen können, dass das ein schwerer Fehler war, der alte Mr. Kartenhai hatte einen ziemlich schlechten Vormittag gehabt, so wie sie alle, aber Sully machte den Mund nicht auf. Er und Hack standen da und sahen zu, wie Malenfant den Kolben seines Gewehrs hob und ihn ihr ins Gesicht rammte, sie damit zu Boden streckte und dem Geschnatter ein Ende machte. Willie Shearman hatte rund zwanzig Meter entfernt gestanden, Willie Shearman aus seiner Heimatstadt, einer der katholischen Jungs, vor denen Bobby und er irgendwie Angst gehabt hatten, und Willies Miene war unergründlich gewesen. Willie Baseball nannten ihn einige seiner Männer, und immer voller Zuneigung.
»Also, was ist mit deinem Problem, Sully-John?«
Sully kam aus dem Dorf in Dong Ha in die Gasse neben der Leichenhalle in New York zurück … aber nur langsam. Manche Erinnerungen waren wie das Teerbaby aus der alten Geschichte von Onkel Remus über den Fuchs und das Kaninchen; man blieb an ihnen kleben. »Tja, wie gesagt, kommt drauf an. Von was für einem Problem hab ich denn gesprochen?«
»Du hast gesagt, sie hätten dir die Eier weggepustet, als sie uns außerhalb des Dorfes angegriffen haben. Du hast gesagt, das sei Gottes Strafe dafür, dass du Malenfant nicht gestoppt hast, bevor er einen Rappel gekriegt und die alte Frau getötet hat.«
Einen Rappel gekriegt war nicht einmal annähernd die richtige Bezeichnung dafür. Malenfant stand breitbeinig über der alten Frau, trieb ihr das Bajonett in den Leib, und sein Mundwerk stand dabei nicht eine Sekunde lang still. Als das Blut kam, sah ihr orangefarbenes Oberteil aus wie gebatikt.
»Ich hab ein bisschen übertrieben«, sagte Sully. »Tun Betrunkene ja schon mal. Ein Teil des alten Hodensacks ist noch da und funktionsfähig, und manchmal springt die Pumpe immer noch an. Vor allem, seit es Viagra gibt. Gott segne diesen Scheiß.«
»Hast du mit dem Alkohol genauso aufgehört wie mit den Zigaretten?«
»Ich trinke ab und zu mal ein Bier«, antwortete Sully.
»Prozac?«
»Noch nicht.«
»Geschieden?«
Sully nickte. »Du?«
»Zweimal. Ich denke aber dran, es noch mal zu riskieren. Mary Theresa Charlton. Sie ist richtig süß. Aller guten Dinge sind drei, das ist mein Motto.«
»Weißt du was, Loot?«, sagte Sully. »Wir sind hier auf ein klares Vermächtnis von Vietnam gestoßen.« Er streckte einen Finger hoch. »Vietnamveteranen kriegen Krebs, meistens in der Lunge oder im Gehirn, aber auch an anderen Stellen.«
»Wie Pags. Bei Pags war’s die Bauchspeicheldrüse, oder?«
»Richtig.«
»Der ganze Krebs kommt vom Orange«, sagte Dieffenbaker. »Niemand kann es beweisen, aber wir wissen es alle. Agent Orange, das Geschenk, das uns ohne Ende beglückt.«
Sully streckte einen zweiten Finger hoch - den Fickfinger, wie Ronnie Malenfant ihn zweifellos genannt hätte. »Vietnamveteranen kriegen Depressionen, besaufen sich auf Partys und drohen, von nationalen Wahrzeichen zu springen.« Der dritte Finger. »Vietnamveteranen haben schlechte Zähne.« Und der kleine Finger. »Die Ehen von Vietnamveteranen werden geschieden.«
An dieser Stelle hatte Sully eine Pause gemacht - er hörte undeutlich die Orgelmusik vom Band, die durch ein halb
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