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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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eine Schlinge seiner eigenen Eingeweide, die in der blutigen Matte seiner Schamhaare lag - was war schon dabei, verdammt noch mal, wenn er nun manchmal diesen alten Geist sah (und mit ihm sprach)? Wen außer ihm selbst ging das etwas an?
    Sully schaute nach vorn auf die Straße, versuchte zu erkennen, was den Stau verursachte (es gelang ihm nicht, es gelang einem nie, man musste einfach warten und immer ein kleines Stück weiterkriechen, wenn der Kerl vor einem weiterkroch), und blickte dann wieder zum Beifahrersitz. Manchmal war sie weg, wenn er das tat. Diesmal jedoch nicht; diesmal hatte sie bloß die Kleidung gewechselt.
Die roten Schuhe waren noch dieselben, aber jetzt trug sie die Kluft einer Krankenschwester: weiße Nylonhose, weiße Bluse (mit einer kleinen goldenen Ansteckuhr, was für eine hübsche Note), weiße Mütze mit einem kleinen schwarzen Streifen. Ihre Hände waren jedoch nach wie vor in ihrem Schoß gefaltet, und sie sah ihn immer noch an.
    »Wo warst du, Mama? Ich hab dich vermisst. Ich weiß, das ist komisch, aber es stimmt. Ich hab an dich gedacht, Mama. Du hättest den neuen Lieutenant sehen sollen. Wirklich, es ist erstaunlich. Er ist in die Solar Sex Panel -Phase eingetreten. Völlig kahl da oben, ich meine, er glänzt .«
    Die alte mamasan sagte nichts. Sully war nicht überrascht.
     
    Neben der Leichenhalle war eine Gasse mit einer grün lackierten Bank an einer Seite. Links und rechts von der Bank stand je ein Sandeimer voller Kippen. Dieffenbaker setzte sich neben einen der Eimer, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen (es war eine Dunhill, bemerkte Sully, ziemlich eindrucksvoll) und hielt Sully die Packung hin.
    »Nein, ich hab wirklich aufgehört.«
    »Na, super.« Dieffenbaker zündete sich die Zigarette mit einem Zippo-Feuerzeug an, und Sully kam etwas Merkwürdiges zu Bewusstsein: Er hatte noch nie gesehen, dass jemand, der in Vietnam gewesen war, seine Zigarette mit Streichhölzern oder solchen Butan-Wegwerffeuerzeugen anzündete; Vietnamveteranen schienen immer Zippos dabeizuhaben. Natürlich konnte das nicht stimmen. Oder doch?
    »Du hinkst immer noch ganz schön«, sagte Dieffenbaker.

    »Ja.«
    »Aber im Großen und Ganzen würde ich sagen, es hat sich gebessert. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, bist du fast getorkelt. Besonders nachdem du dir ein paar Drinks hinter die Binde gekippt hattest.«
    »Gehst du noch zu den Treffen? Finden die überhaupt noch statt, die Picknicks und der ganze Scheiß?«
    »Ich glaube schon, ja, aber ich war vor drei Jahren zum letzten Mal da. Ist zu deprimierend geworden.«
    »Ja. Diejenigen, die keinen Krebs haben, sind totale Alkoholiker. Und diejenigen, die es geschafft haben, vom Alk runterzukommen, sind auf Prozac.«
    »Du hast es also gemerkt.«
    »Ja, klar hab ich’s gemerkt.«
    »Na ja, überrascht mich eigentlich nicht. Du warst zwar nie der Klügste, Sully-John, aber ein aufmerksamer Hurensohn warst du immer. Schon damals. Jedenfalls hast du den Nagel auf den Kopf getroffen - Alkohol, Krebs und Depressionen, das sind die Hauptprobleme, wie’s scheint. Oh, und die Zähne. Ich hab noch keinen Vietnamveteranen getroffen, der nicht alle möglichen Scheißprobleme mit den Zähnen hatte … sofern er überhaupt noch welche hatte, heißt das. Wie steht’s mit dir, Sully? Was machen die alten Beißerchen?«
    Sully, dem seit Vietnam sechs Zähne gezogen worden waren (dazu hatte er so viele Wurzelbehandlungen gehabt, dass er sie kaum noch zählen konnte), wackelte mit der Hand hin und her, comme ci, comme ça .
    »Und das andere Problem?«, fragte Dieffenbaker. »Was ist damit?«
    »Kommt drauf an«, sagte Sully.

    »Worauf?«
    »Darauf, von welchem Problem ich dir was erzählt habe. Wir haben uns bei dreien von diesen verdammten Wiedersehenspicknicks getroffen …«
    »Bei vieren. Und ich bin noch bei mindestens einem gewesen, bei dem du nicht warst. In dem Jahr nach dem am Meer in Jersey? Das war, als Andy Hackermeyer gesagt hat, er würde sich umbringen, von der Spitze der Freiheitsstatue runterspringen.«
    »Und, hat er’s getan?«
    Dieffenbaker nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und sah Sully mit einem Blick an, der immer noch der eines Lieutenants war. Selbst nach all diesen Jahren brachte er diesen Blick noch zustande. Irgendwie erstaunlich. »Wenn er’s getan hätte, hättest du’s in der Post gelesen. Liest du die Post? «
    »Treu und brav.«
    Dieffenbaker nickte. »Vietnamveteranen haben alle Probleme mit

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