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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Mundharmonika in den Arsch stopfen, wenn er nicht endlich Ruhe gäbe?«

    Sully nickte, immer noch grinsend. »Hat gesagt, er würde sie ihm so tief reinschieben, dass er beim Furzen ›Red River Valley‹ spielen könnte.« Er warf einen liebevollen Blick zum Sarg zurück, als erwartete er, dass Pagano bei der Erinnerung ebenfalls grinsen würde. Pagano grinste aber nicht. Pagano lag einfach nur mit geschminktem Gesicht da. Pagano hatte es hinter sich. »Ich sag dir was - ich komme mit raus und schau dir beim Rauchen zu.«
    »Einverstanden.« Dieffenbaker, der einst einem seiner Soldaten den Befehl gegeben hatte, einen anderen seiner Soldaten zu töten, ging den Seitengang der Kapelle hinauf, und sein kahler Kopf schimmerte in unterschiedlichen Farben, als er unter den diversen Buntglasfenstern durchging. John Sullivan, der mit dem Gold Star ausgezeichnete Chevrolet-Händler, war hinter ihm hergehinkt - er hinkte nun schon mehr als sein halbes Leben lang und bemerkte es überhaupt nicht mehr.
     
    Der Verkehr auf der I-95 kroch nur noch dahin und kam schließlich gänzlich zum Stillstand; allerdings ging es auf einer der Spuren ab und zu immer noch ein paar Meter vorwärts. Im Radio waren? and the Mysterians Sly and the Family Stone gewichen - »Dance to the Music«. Der verdammte Slocum hätte garantiert volle Pulle im Sitzen mitgetanzt. Sully schaltete den Vorführ-Caprice auf die Parkstellung und klopfte auf dem Lenkrad den Takt dazu.
    Als der Song allmählich dem Ende entgegenging, schaute er nach rechts, und da saß die alte mamasan auf dem Beifahrersitz. Sie tanzte nicht im Sitzen, sondern hockte nur da, die gelben Hände im Schoß gefaltet, die irrwitzig knalligen Schuhe, diese Chuck-Taylor-Kopien, auf der wegwerfbare
Plastikfußmatte mit dem Aufdruck SULLIVAN CHEVROLET WÜRDE SICH FREUEN, MIT IHNEN INS GESCHÄFT ZU KOMMEN gepflanzt.
    »Hallo, du alte Hexe«, sagte Sully eher erfreut als verstört. Wann hatte sie sich zuletzt sehen lassen? Vielleicht bei der Silvesterparty der Tacklins, als Sully das letzte Mal richtig betrunken gewesen war. »Warum warst du nicht bei Pags’ Beerdigung? Der neue Lieutenant hat nach dir gefragt.«
    Sie antwortete nicht, aber wann hatte sie das je getan? Sie saß nur mit gefalteten Händen da und sah ihn mit ihren schwarzen Augen an, eine Halloween-Vision in Grün, Orange und Rot. Die alte mamasan hatte keine Ähnlichkeit mit einem Gespenst in einem Hollywood-Film; man konnte nicht durch sie hindurchschauen, sie veränderte nie ihre Gestalt und verblasste auch nicht. An einem ihrer dürren gelben Handgelenke trug sie ein geflochtenes Band, das dem Freundschaftsarmband einer Schülerin von der Junior Highschool ähnelte. Und obwohl man jede Windung des Bandes und jede Falte in ihrem alten Gesicht sah, konnte man sie nicht riechen, und das eine Mal, als Sully versucht hatte, sie zu berühren, war sie einfach verschwunden. Sie war ein Geist, und sein Kopf war das Spukhaus, in dem sie wohnte. Nur dass sein Kopf sie hin und wieder (normalerweise schmerzlos und stets ohne Vorwarnung) ausspie und er sie dann ansehen musste.
    Sie veränderte sich nicht. Sie verlor keine Haare, bekam keine Gallensteine und brauchte keine Bifokalbrille. Sie starb nicht, wie Clemson, Pags, Packer und die Jungs in den abgestürzten Helikoptern gestorben waren (auch die beiden, die sie von der Lichtung geholt hatten, mit Schaum bedeckt
wie Schneemänner, waren gestorben; sie hatten zu schwere Verbrennungen gehabt, um zu überleben, und es war alles umsonst gewesen). Sie verschwand auch nicht, wie Carol es getan hatte. Nein, die alte mamasan stattete ihm weiterhin ab und zu einen Besuch ab, und sie hatte sich seit der Zeit, als »Instant Karma« ein Top-Ten-Hit gewesen war, kein bisschen verändert. Sie hatte einmal sterben müssen, das stimmte, hatte dort im Schlamm liegen müssen, während Malenfant ihr erst das Bajonett in den Bauch trieb und dann seine Absicht verkündete, ihr den Kopf abzuschneiden, aber seitdem war es ihr absolut glänzend gegangen.
    »Wo hast du gesteckt, Schätzchen?« Falls jemand in einem anderen Wagen herüberschaute (sein Caprice war jetzt auf allen vier Seiten umzingelt und eingekeilt) und sah, wie seine Lippen sich bewegten, würde er einfach annehmen, dass Sully zur Musik aus dem Radio mitsang. Und selbst wenn die Leute was anderes dachten, wen kümmerte es schon? Wen kümmerte es schon, was einer von ihnen dachte? Er hatte Dinge gesehen, schreckliche Dinge, nicht zuletzt

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