Atlantis
geht’s Ihnen heute, Mrs. Garfield?«, fragte Ted.
»Ausgezeichnet.« Hin und her ging der Blick. Bobby hatte keine Ahnung, wonach sie suchte, aber das erschrockene Schuldbewusstsein musste aus seinem Gesicht verschwunden sein. Wenn sie es gesehen hätte, wüsste er es bereits; er wüsste, dass sie es wusste.
»Möchten Sie eine Flasche Limonade?«, fragte Ted. »Ich habe Rootbeer. Ist nicht viel, aber immerhin kalt.«
»Das wäre nett«, sagte Liz. »Danke.« Sie kam ganz herein und setzte sich neben Bobby an den Küchentisch. Sie tätschelte ihm geistesabwesend das Bein und beobachtete Ted, während er seinen kleinen Kühlschrank öffnete und das Rootbeer herausholte. »Noch ist es hier oben nicht heiß, Mr. Brattigan, aber in einem Monat sieht das anders aus, das garantiere ich Ihnen. Sie sollten sich einen Ventilator anschaffen.«
»Gute Idee.« Ted goss Rootbeer in ein sauberes Glas, blieb dann vor dem Kühlschrank stehen, hielt das Glas ins Licht und wartete darauf, dass der Schaum sich setzte. Für
Bobby sah er aus wie ein Wissenschaftler in einem Fernsehwerbespot, einer dieser Burschen, die von der Marke X oder Y besessen waren und sich darüber ausließen, dass Rolaids das Siebenundfünfzigfache ihres Gewichts an überschüssiger Magensäure neutralisierten, erstaunlich, aber wahr.
»Danke, das genügt, es braucht nicht bis oben hin voll zu sein«, sagte sie ein wenig ungeduldig. Ted brachte ihr das Glas, und sie hob es ihm entgegen. »Na, dann prost.« Sie trank einen Schluck und verzog das Gesicht, als wäre es Whiskey statt Rootbeer. Dann beobachtete sie über den Rand des Glases hinweg, wie Ted sich hinsetzte, die Asche von seiner Zigarette klopfte und sich den Stummel wieder in den Mundwinkel steckte.
»Ihr beiden seid ja inzwischen die dicksten Freunde«, bemerkte sie. »Hockt hier am Küchentisch, trinkt Rootbeer - so richtig gemütlich! Worüber habt ihr denn heute gesprochen?«
»Über das Buch, das Mr. Brautigan mir geschenkt hat«, sagte Bobby. Seine Stimme klang natürlich und ruhig, eine Stimme, hinter der sich keine Geheimnisse verbargen. » Herr der Fliegen. Mir war nicht so recht klar, ob das Ende nun gut oder schlecht war, und da hab ich gedacht, ich frage ihn.«
»So? Und was hat er gesagt?«
»Sowohl als auch. Und er hat gesagt, ich soll darüber nachdenken.«
Liz lachte ohne sonderlich viel Humor. »Ich lese Krimis, Mr. Brattigan, und das Nachdenken spare ich mir fürs wirkliche Leben. Aber ich bin natürlich auch noch nicht pensioniert.«
»Nein«, sagte Ted. »Sie sind ganz offensichtlich in den besten Jahren.«
Sie warf ihm einen Blick zu, der besagte, mit Schmeicheleien kommst du bei mir nicht weiter. Bobby kannte diesen Blick gut.
»Ich habe Bobby auch einen kleinen Job angeboten«, erklärte ihr Ted. »Er war einverstanden … mit Ihrer Erlaubnis, natürlich.«
Ihre Stirn runzelte sich, als er den Job erwähnte, und glättete sich, als er von ihrer Erlaubnis sprach. Sie streckte die Hand aus und strich Bobby kurz über die roten Haare, eine so ungewöhnliche Geste, dass Bobbys Augen ein wenig größer wurden. Ihr Blick wich dabei keine Sekunde von Teds Gesicht. Nicht nur, dass sie dem Mann nicht traute - sie würde ihm wahrscheinlich niemals trauen, erkannte Bobby. »An was für einen Job hatten Sie denn gedacht?«
»Er möchte, dass ich …«
»Pst«, machte sie und spähte dabei immer noch über den Rand des Glases hinweg, ohne Ted aus den Augen zu lassen.
»Ich hätte gern, dass er mir aus der Zeitung vorliest, vielleicht am Nachmittag«, antwortete Ted und erklärte dann, seine Augen seien nicht mehr so gut wie früher und es falle ihm mit jedem Tag schwerer, die kleingedruckten Texte zu lesen. Aber er wolle sich über die Nachrichten auf dem Laufenden halten - das seien doch sehr interessante Zeiten, ob Mrs. Garfield das nicht auch finde? - und überdies die Kolumnen verfolgen, Stewart Alsop und Walter Winchell und so weiter. Winchell sei natürlich eine Klatschtante, aber es sei interessanter Klatsch, oder nicht, Mrs. Garfield?
Bobby hörte zunehmend nervös zu. Er merkte zwar an der Miene und der Körperhaltung seiner Mutter - sogar an der Art, wie sie an ihrem Rootbeer nippte -, dass sie Ted glaubte. Das war so weit in Ordnung, aber was war, wenn Ted wieder einen Aussetzer hatte? Wenn er einen Aussetzer hatte und anfing, von niederen Männern in gelben Mänteln oder von Drachenschwänzen an Telefonleitungen zu faseln, und dabei die ganze Zeit ins Leere
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