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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beschissen aus, tut mir leid, aber so war’s nun mal, ein Drecknest, in dem es sich nicht zu leben und für das es sich erst recht nicht zu sterben lohnte. Eure Leute, die ARVN, die wollten jedenfalls nicht für solche Orte sterben, also warum sollten wir’s tun? Es stank, es roch nach Scheiße, aber so rochen diese Nester ja alle. So kam es uns zumindest vor. Na ja, mir hat der Gestank nicht so viel ausgemacht. Mir ist, glaube ich, vor allem der Stuhl an die Nieren gegangen. Dieser eine Stuhl, der hat alles gesagt.«
    Sully zog den Zigarettenanzünder heraus und führte die kirschrote Spule an die Spitze seiner Zigarette, dann fiel ihm wieder ein, dass er in einem Vorführwagen saß. Er konnte in einem Vorführwagen rauchen - zum Teufel, es war einer aus seinem eigenen Laden -, aber wenn einer der Verkäufer den Rauch roch und daraus schloss, dass der
Boss etwas tat, wofür jeder andere gefeuert werden würde, dann war das nicht gut. Man musste schon mit gutem Beispiel vorangehen … jedenfalls wenn man einigermaßen respektiert werden wollte.
    »Excusez-moi«, sagte er zu der alten mamasan . Er stieg aus dem Wagen, dessen Motor noch lief, zündete sich die Zigarette an und beugte sich dann ins Fenster hinein, um den Zigarettenanzünder wieder ins Loch am Armaturenbrett zu stecken. Es war ein heißer Tag, und das vierspurige Meer von Autos, die im Leerlauf vor sich hin tuckerten, machte ihn noch heißer. Sully spürte die Ungeduld überall um ihn herum, hörte aber nur sein eigenes Radio; alle anderen Fahrer waren hinter Glas, eingesponnen in ihre kleinen klimatisierten Kokons, und hörten sich hundert verschiedene Arten von Musik an, von Liz Phair bis zu William Ackerman. Alle Veteranen, die in dem Stau steckten und nicht die Allman Brothers auf CD oder Big Brother and the Holding Company auf Band hatten, hörten wahrscheinlich ebenfalls WKND, wo die Vergangenheit niemals gestorben war und die Zukunft niemals kam. Tüt-tüt, beep-beep .
    Sully begab sich nach vorn zur Kühlerhaube seines Wagens, stellte sich auf die Zehenspitzen, beschattete die Augen gegen das grelle Sonnenlicht auf Chrom und hielt Ausschau nach dem Problem. Er konnte es natürlich nicht sehen.
    Bräute, Barbecues und Bowling-Turniere, dachte er und hörte dabei Malenfants quiekende, durchdringende Stimme. Diese Albtraumstimme unter dem blauen Himmel und aus dem Grünen. Na los, Jungs, wer hat die Schwuchtel? Ich hab noch neunzig Tage vor mir, die Zeit ist knapp, also sehen wir verdammt noch mal zu, dass wir hier in die Gänge kommen!

    Er nahm einen tiefen Zug von seiner Winston und hustete schalen, heißen Rauch aus. In der Nachmittagshelligkeit begannen auf einmal schwarze Punkte zu tanzen, und er schaute mit einem nahezu komischen Ausdruck des Entsetzens auf die Zigarette zwischen seinen Fingern hinunter. Wieso fing er bloß wieder mit diesem Scheiß an? War er verrückt? Nun ja, natürlich war er verrückt - wer tote alte Frauen neben sich im Auto sitzen sah, musste verrückt sein -, aber das hieß ja nicht, dass er wieder mit diesem Scheiß anfangen musste. Zigaretten waren Agent Orange, für das man auch noch bezahlte. Sully warf die Winston weg. Er hatte den Eindruck, dass es die richtige Entscheidung war, aber sein sich beschleunigender Herzschlag wurde dadurch nicht langsamer, und sein Mund wurde trotzdem immer trockener, zog sich zusammen, warf Blasen und Falten wie verbrannte Haut - ein Gefühl, das er noch gut von den Patrouillen kannte, an denen er teilgenommen hatte. Manche Leute fürchteten sich vor Menschenmengen - Agoraphobie nannte man das, Angst vor dem Marktplatz -, aber wenn Sully überhaupt je so etwas wie zu viel und zu viele empfunden hatte, dann nur in Augenblicken wie diesem. In Fahrstühlen, im Pausengewimmel der Foyers und auf Bahnsteigen zur Rush Hour hatte er keine Probleme, aber wenn sich der Verkehr um ihn herum staute und zum Stillstand kam, dann klinkte er ein bisschen aus. Schließlich konnte er nirgends hinlaufen, sich nirgends verstecken. Nowhere to run, baby, nowhere to hide.
    Ein paar andere Leute kamen aus ihren klimatisierten Überlebenskapseln heraus. Eine Frau in einem strengen braunen Kostüm stand neben einem strengen braunen BMW, ein goldenes Armband und silberne Ohrringe bündelten die
Sommersonne, und sie zuckte nervös mit einem hochhackigen Korduanlederschuh, als wollte sie damit auf den Asphalt klopfen. Sie fing Sullys Blick auf, drehte die Augen zum Himmel, als wollte sie sagen: Ist das nicht

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