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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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rotzgrünen Feuerstuhl fuhr, hatte genug gesehen. Er lief wie ein Skifahrer im Slalom durch den schmalen Korridor zwischen den stehenden Autos auf der dritten Spur und der ganz linken Spur, um den hervorstehenden Seitenspiegeln auszuweichen, und hielt sich dabei eine Hand über den Kopf wie jemand, der während eines Frühlingsschauers über die Straße geht. Sully, der immer noch den Lampenschirm in der Hand hielt, dachte, dass der Bursche wesentlich besser daran getan hätte, sich seinen Helm zu schnappen und ihn wieder aufzusetzen, aber wenn es um einen herum Gegenstände zu regnen begann, wurde man natürlich vergesslich, und als Erstes vergaß man wahrscheinlich, was für einen selbst das Beste war.
    Jetzt kam ganz in der Nähe etwas anderes herunter, etwas Großes - jedenfalls etwas Größeres als das Mikrowellengerät, das die Kühlerhaube des Buick zertrümmert hatte. Diesmal war das Geräusch kein Pfeifen wie von einer Bombe oder einer Granate, sondern es klang nach einem
Flugzeug, einem Hubschrauber oder sogar einem Haus. In Vietnam hatte Sully erlebt, wie all diese Dinge vom Himmel gefallen waren (zugegeben, das Haus war bereits in seine Einzelteile zerlegt gewesen), und dennoch war dieses Geräusch in einem entscheidenden Punkt anders: Es war zu allem anderen musikalisch , wie das größte Windspiel der Welt.
    Was da herunterkam, war ein Flügel, weiß mit goldenen Ziselierungen, ein Flügel, an dem man automatisch eine hoch gewachsene, kühle Frau in einem schwarzen Kleid »Night and Day« klimpern sah - in the traffic’s boom, in the silence of my lonely room, tüt-tüt, beep-beep . Ein weißer Flügel fiel aus dem Himmel über Connecticut, drehte sich um sich selbst, warf einen quallenförmigen Schatten auf die im Stau stehenden Autos, machte Windmusik mit den Saiten, als die Luft durch sein sich drehendes Gehäuse pfiff, seine Tasten wellten sich wie die eines automatischen Klaviers, und die Pedale blinkten in der dunstigen Sonne.
    Der Flügel fiel in trägen Umdrehungen, und das fetter werdende Brausen seines Sturzes klang wie etwas, was unaufhörlich in einem Blechtunnel vibrierte. Er fiel auf Sully herab, und der beängstigende Schatten konzentrierte sich jetzt und schrumpfte; Sullys nach oben gewandtes Gesicht schien sein Ziel zu sein.
    »Das Ding kommt runter!«, schrie Sully rannte los. »DAS DING KOMMT RUUUNNNTER!«
    Der Flügel stürzte auf die Straße zu, die weiße Bank kam unmittelbar hinterher, und hinter der Bank folgte ein Kometenschweif aus Noten, 45er-Schallplatten mit großen Löchern in der Mitte und kleinen Küchengeräten, dazu ein flatternder gelber Mantel, der wie ein Staubmantel aussah,
ein Goodyear-Reifen (Wide Oval), ein Holzkohlengrill, eine Wetterfahne, ein Aktenschrank und eine Teetasse mit der Aufschrift DIE BESTE OMA DER WELT.
     
    »Kann ich auch so eine haben?«, hatte Sully Dieffenbaker draußen vor der Leichenhalle gefragt, in der Pags in seinem mit Seide ausgekleideten Sarg lag. »Ich hab noch nie eine Dunhill geraucht.«
    »Wenn du magst.« Dieffenbaker klang belustigt, als hätte er noch nie vor Angst die Hosen voll gehabt.
    Sully erinnerte sich immer noch daran, wie Dieffenbaker auf der Straße neben diesem umgeworfenen Küchenstuhl gestanden hatte, daran, wie blass er gewesen war, wie seine Lippen gezittert hatten, und an seine Kleidung, die noch nach Rauch und vergossenem Hubschrauberbenzin gerochen hatte. Dieffenbaker hatte den Blick von Malenfant und der alten Frau zu den anderen, die in die Hütten zu feuern begannen, und dann zu dem von Mims angeschossenen, schreienden Jungen schweifen lassen; Sully erinnerte sich, wie Deef Lieutenant Shearman angesehen hatte, aber von dem kam keine Hilfe. Und von Sully ebenso wenig, was das betraf. Er erinnerte sich auch noch, wie Slocum Deef angestarrt hatte, Deef, den Lieutenant, da Packer jetzt tot war. Und schließlich hatte Deef Slocums Blick erwidert. Slocum war kein Offizier - nicht mal einer dieser großmäuligen Buschgeneräle, die hinterher immer alles besser wussten - und würde auch nie einer werden. Slocum war bloß der typische gemeine Soldat, der dachte, dass eine Band, die wie Rare Earth klang, aus Schwarzen bestehen musste. Bloß ein Frontschwein, mit anderen Worten, aber eben jemand, der bereit war, das zu tun, was die anderen nicht tun
wollten. Ohne den gequälten Blick des neuen Lieutenant loszulassen, hatte Slocum den Kopf ein kleines Stück in die andere Richtung gedreht, zu Malenfant, Clemson,

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