Atme - wenn du kannst!
Tauchlehrern anders sein? Die Wahl ist auf dich gefallen, aber es hätte genauso gut auch jeden anderen von uns treffen können.“
„Es ist gut, wenn ihr das so locker sehen könnt“, erklärte Emily erleichtert. „Ich will nämlich nicht als Streberin gelten.“
„Keine Sorge.“ Vivian lachte. „Wenn ich erst mal mein Studium abgeschlossen habe und Lehrerin bin, dann werde ich auch meine Lieblinge haben. Gleiches Recht für alle, sage ich immer.“
Sie lachten alle, und Emily war froh, dass sie sich nach wie vor so gut mit den beiden verstand. Das Abendessen verlief einsilbig. Kendall war ohnehin kein großer Redner. Nur Sam machte seine Späße.
„Am ersten Abend herrscht hier immer Grabesstille, Leute. Da merkt ihr nämlich alle, wie anstrengend das Tauchen sein kann. Aber man gewöhnt sich daran. Und im Wasser ist der Muskelkater nur halb so schlimm.“
Sam hatte wahrscheinlich recht. Auch Emily wurde von einer bleiernen, aber angenehmen Müdigkeit beherrscht, die sich nach großer körperlicher Anstrengung einstellte. Sie hatte bisher geglaubt, topfit zu sein. Aber Emily war auch noch nie zuvor den ganzen Tag über getaucht.
Diesmal mussten Lee und Vivian den Küchendienst verrichten. Emily beschloss, vor dem Schlafengehen noch etwas frische Luft zu schnappen. Allzu viel Auslauf hatte man auf der kleinen Motorjacht ja nicht. Sie schlenderte an der Reling entlang bis zum Bug, setzte sich auf das Deck und ließ die Beine über der Wasseroberfläche baumeln.
Der Nachthimmel war wundervoll. Die Fortuna lag immer noch am Treibanker, allerdings brannten inzwischen die Positionslaternen. Bis zum Horizont sah man nichts außer den Wellen, auf die fahles silbriges Mondlicht fiel. Emily erblickte keine Schiffe, keine Jets, keinen Hinweis auf weiteres menschliches Leben. Man konnte sich einbilden, allein auf der Welt zu sein.
Es raschelte hinter ihr. Emily erschrak, aber dann bemerkte sie Andy. Sie spürte ihn, bevor sie ihn erkennen konnte. Innerlich wusste sie einfach, dass er es war. Das Gefühl von Vertrautheit hatte sich sehr schnell bei ihr eingestellt. Sie wusste einfach, dass Andy ehrlich war. Er war in einer Gang gewesen, was sie nicht okay fand. Aber er stand zu seinen Fehlern, und dadurch beeindruckte er sie mehr als jeder stromlinienförmige Typ.
„Darf ich mich zu dir setzen, Emily?“
„Klar.“
Andy hockte sich neben ihr auf das Deck. Sie konnte die Wärme seines Körpers fühlen, und der Duft seines frischen Duschgels stieg ihr in die Nase. Emilys Herz klopfte schneller. Sie hoffte, dass er nicht so schüchtern war wie sie.
„Als wir heute gemeinsam im Wasser waren – da ist etwas in meinem Inneren passiert.“
„Was denn?“, flüsterte sie und wandte sich ihm zu. Es war so dunkel, dass Emily kaum seine Umrisse erkennen konnte. Aber sie wusste, dass Andy da war, und nur das zählte.
Er antwortete nicht, sondern gab ihr einen Kuss. Sie schlang die Arme um ihn, und dann küssten sie sich eine halbe Ewigkeit lang. Es fühlte sich gut und richtig an. Wenn es nach Emily gegangen wäre, hätte es die ganze Nacht so weitergehen können. Diesmal war sie sicher, keinen Fehler zu machen. Andy war ein ganz anderer Mensch als ihr Ex. Emily hatte aus ihren schlechten Erfahrungen gelernt, daran zweifelte sie nicht.
War eine neue Liebe nicht das beste Mittel, damit man die Vergangenheit vergaß? Plötzlich kam es Emily so albern vor, dass sie Jim Meadows schon an Bord geglaubt hatte. Ihr Ex war schließlich kein Superheld, der sich unsichtbar machen konnte. Nein, hier auf der Fortuna war sie sicher vor ihm. Und so nahe bei Andy fühlte sie sich ohnehin so gut und geborgen wie schon lange nicht mehr.
„Ich habe auch so ein Gefühl“, raunte Emily Andy ins Ohr. „Und ich weiß ganz genau, wo es sich verbirgt.“
„Wo denn?“
„Hier“, sagte sie, und ihre Stimme klang ganz rau. Emily nahm seine Hand und legte sie sich auf die Brust. Dorthin, wo das Herz unter den Rippen schlug. Doch nun schloss Emily die Augen und gab sich ganz den Empfindungen hin, die Andys Berührung in ihr auslöste. Ihre Brustwarzen waren bereits hart wie Kieselsteine. Das heiße Blut rauschte durch ihren Körper. Emily konnte sich keine Droge vorstellen, die so stimulierend war wie ihre eigenen Gefühle.
Sie wollte Andy, und ihm ging es gewiss genauso. Das merkte sie an seinen schnellen Atemzügen und daran, wie er sie berührte. Er ließ sie spüren, dass sie eine sehr begehrenswerte Frau war.
Doch sie befanden
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