Atme - wenn du kannst!
es erstklassige Taucher, damals musste man natürlich noch ohne Atemgerät auskommen. Aber getaucht wird schon seit Menschengedenken. Das haben schon unzählige Leute vor dir gelernt.“
Vivian und Kyle durften als Erste abtauchen. Die übrigen Schüler schauten ihnen vom Achterdeck aus zu. Emily suchte natürlich Andys Nähe. Sanft strich er ihr über die Hand.
„Geht’s dir gut?“
„Ich fühle mich super, Andy. Meine Mom hat mir diesen Urlaub geschenkt, weil sie hoffte, ich würde auf andere Gedanken kommen. Das hat toll funktioniert, ich bin richtig glücklich – endlich wieder, nach so langen Monaten.“ Sie kam noch näher und flüsterte: „Rat mal, an wem das hauptsächlich liegt. Ich bin so happy, weil die Vergangenheit keine Macht mehr über mich hat.“
„Das klingt ja, als ob du eine harte Zeit hinter dir hättest.“
„Habe ich auch, aber ich will jetzt nicht darüber reden“, betonte Emily. Sie hatte jedenfalls nicht vor, Andy zu erzählen, dass sie unter Mordverdacht stand. Und auch die Geschichten über ihren stalkenden Exfreund wollte sie einstweilen für sich behalten. Warum sollte sie die Schatten der Vergangenheit wieder heraufbeschwören? Stattdessen wollte Emily lieber jede Minute an Andys Seite genießen. Und seine Blicke bewiesen ihr, dass es ihm ganz genauso ging.
„Emily und Melanie – macht euch für den Tauchgang bereit!“
Die Anweisung kam von Kendall, kurz nachdem der Tauchlehrer gemeinsam mit Vivian und Kyle von der Unterwasser-Expedition zurückgekehrt war. Emily legte ihre Ausrüstung an, wobei sie noch einmal einen Kurzcheck machte.
„Emily, du zeigst bitte Melanie, wie es geht“, sagte Kendall. Offenbar wollte er wieder einmal Emilys Kompetenz unterstreichen. Aber der Check war auf jeden Fall notwendig.
„Okay, Melanie. Als Erstes musst du prüfen, ob deine Sauerstoffflasche geöffnet ist. Steht die Reserveschaltung richtig? Sind alle Anschlüsse befestigt? Funktionieren der Inflator und die Lampe? Sind der Kompass und die Uhr korrekt eingestellt? Hast du den Bleigurt angelegt?“
„Ist das richtig so?“, wollte Melanie wissen. Sie stellte sich etwas ungeschickt an, aber sie hatte ja auch keine Vorkenntnisse. Emily war nun doch aufgeregter, als sie sich zunächst eingestehen wollte. Immerhin war es auch für sie das erste Mal, dass sie mit einem Atemgerät in freier Natur tauchte. Außerdem schaute Andy vom Boot aus zu, und sie wollte sich ganz gewiss nicht vor ihm blamieren. Daher gab sie sich ganz besonders viel Mühe.
Endlich bekamen Emily und Melanie von Kendall das Startzeichen.
Die beiden Frauen tauchten ab und orientierten sich unter Wasser an der Ankerkette, wie der Tauchlehrer es ihnen gesagt hatte. Wenige Augenblicke später glitt auch Kendalls Körper hinab in die Unendlichkeit des Ozeans. Natürlich beherrschten Emily und Melanie bereits die Zeichensprache der Taucher. Daher deuteten sie Kendalls Handsignale richtig: Sie sollten ihm folgen.
Emily kam sich vor, als ob sie zum ersten Mal überhaupt unter Wasser schwimmen würde. Ihre bisherigen Erfahrungen kamen ihr vor wie Trockenübungen. Die schillernd-bunte Unterwasserwelt der Karibik war für Emily wie ein fremder und sehr faszinierender Planet. Bunte Fische kreuzten ihren Weg, einzeln und auch in Schwärmen. Die meisten von ihnen waren nicht größer als Emilys Hand, aber es gab auch einige schwere und große Exemplare. Bisher kannte Emily die Tiere nur von Fotos im Internet. Aber es war etwas völlig anderes, die Schweinsfische, Zackenbarsche, französischen Kaiserfische und Igelfische plötzlich zum Greifen nahe vor sich zu sehen.
Und was war mit Haien? Emily führte sich vor Augen, dass die meisten Haiarten für den Menschen ungefährlich waren. Selbst die sogenannten Räuber stellten keine Gefahr dar, wenn man als Taucher nicht die Nerven verlor. Außerdem war bekannt, in welchen Gewässern sich besonders viele Haie aufhielten. Dort würde der Kapitän ganz gewiss keine Übungen mit Tauchanfängern veranstalten.
Kendall bewegte sich an einem Korallenriff entlang. Dabei achtete er darauf, nicht zu nahe heranzuschwimmen. Emily wusste, dass man sich dort leicht an scharfen Kanten verletzen konnte. Das stellte ein größeres Risiko als eine Haiattacke dar. Und auch aus einem oder zwei Metern Entfernung war der exotische Anblick des unberührten Riffs ganz wunderbar.
Doch plötzlich wurde Emily von einer heftigen Panikattacke erfasst. Die Angst kam ganz unerwartet, wie ein
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