Atme - wenn du kannst!
Tauchermaske. Er gab Emily das Signal, sich nach links zu wenden. Sie folgte ihm, denn die Zeichensprache der Taucher war ihr natürlich vertraut.
Andy war nun ebenfalls unter Wasser angelangt, schien aber Schwierigkeiten mit der Orientierung zu haben. Emily wusste, dass das leicht passieren konnte, wenn man noch ungeübt beim Eintauchen war. Kendall zeigte ihr, dass sie Andy helfen sollte.
Emily nahm seine Hand. Sie war ihm in diesem Moment sehr nahe, und trotz ihrer Anspannung fühlte Emily ein Kribbeln im Bauch, das gewiss nicht vom Tauchen kam. Allzu lange konnten sie ohne Atemgerät natürlich nicht unter Wasser bleiben. Kendall gab bereits das Signal zum Auftauchen.
Emily ließ Andy nicht los, obwohl er inzwischen gut wieder allein zurechtkam. Es war herrlich gewesen, unter Wasser bei ihm zu sein. Trotz Kendalls Anwesenheit kam es Emily so vor, als hätte es weit und breit niemand anderen als Andy und sie selbst gegeben. Daher bedauerte sie es beinah, wieder die Wasseroberfläche zu erreichen.
Der Tauchlehrer hielt erneut eine Lobeshymne auf Emily.
„Habt ihr gesehen, wie sicher Emily eingetaucht ist? Ich möchte, dass ihr alle den Spreizschritt übt. Es ist einfach die beste Methode, um als Anfänger sicher ins Wasser zu gelangen. Andy hingegen hat bei der Rolle rückwärts kurzzeitig die Orientierung verloren, und das kann ins Auge gehen. Deshalb nenne ich euch noch mal die Grundregel: Niemals, unter keinen Umständen, dürft ihr allein tauchen!“
Es war Emily inzwischen schon fast peinlich, dass Kendall sie immer so als Musterschülerin hinstellte. Ob er sich wirklich einbildete, dadurch bei ihr landen zu können? Emily musste zugeben, dass der Kapitän niemals wirklich versuchte, sie anzubaggern. Oder war er einfach zu schüchtern, um das zu tun? Sie wusste es nicht. Fest stand nur, dass er sie bevorzugt behandelte. Aber warum?
Emily konnte sich nicht ernsthaft über Kendall den Kopf zerbrechen, denn sie hatte sich in Andy verknallt. Der gemeinsame Tauchgang mit ihm hatte nur aus wenigen Minuten bestanden, aber während dieser kurzen Zeitspanne war etwas mit Emily geschehen. Vielleicht hatte es an der einmaligen Stimmung unter Wasser gelegen, die hier auf offener See noch hundertmal intensiver war als in einem Swimmingpool. Sie wusste es nicht. Für Emily stand nur fest, dass ihre finstere Stimmung nun verschwunden war. Hoffentlich für immer, wie sie insgeheim hoffte.
Emily schmeckte das Salzwasser auf ihren Lippen. Sie machte an Deck Dehnübungen, um ihren Körper geschmeidig zu halten und unter Wasser gelenkiger zu sein. Auch dafür bekam sie wieder Lobeshymnen von Kendall zu hören.
Der Tag auf hoher See verging wie im Flug. Die Fortuna lag die ganze Zeit am Treibanker. Emily sah nicht ein einziges Schiff vorbeiziehen, nur einmal erblickte sie die Kondensstreifen eines Flugzeuges am makellosen Sommerhimmel. Ihr wurde klar, wie einsam es auf See sein konnte. Aber da Andy in ihrer Nähe war, kamen ungute Gefühle gar nicht erst auf.
„Dich hat es ja ganz schön erwischt“, meinte Melanie augenzwinkernd, als die Frauen sich vor dem Abendessen in ihrer Kabine umzogen. Emily merkte, dass ihre Wangen knallrot wurden. Und das lag bestimmt nicht an der intensiven Sonneneinstrahlung während des Tages.
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Uns kannst du nichts vormachen.“ Vivian schlug nun in dieselbe Kerbe wie Melanie. „Du hast dich bis über beide Ohren in diesen Andy verknallt. Na ja, er sieht ja auch ganz cool aus – obwohl mir Kyle besser gefällt. Aber Melanie hat schon recht. Außerdem glaube ich, dass Andy auch etwas für dich empfindet.“
Emily war verlegen. Hatte sie Andy wirklich so offensichtlich angehimmelt? Offenbar, denn sonst hätten Melanie und Vivian wohl kaum Lunte gerochen. Melanie nahm sie in den Arm.
„Hey, es ist alles gut, Emily. Es muss dir doch nicht unangenehm sein. Mich würde es an deiner Stelle viel mehr nerven, dass Kendall dich immer als die Supertaucherin hinstellt, die nie einen Fehler macht.“
„Das geht mir auch auf den Zwirn, das könnt ihr mir glauben“, stöhnte Emily. „Aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Ich kann doch nicht absichtlich Fehler machen, nur damit der Kapitän mich nicht mehr als Musterschülerin darstellt. Beim Tauchen kann nämlich die kleinste Unachtsamkeit böse Folgen haben.“
Vivian zuckte mit den Schultern.
„Was soll die Aufregung? Jeder Lehrer hat nun mal seine Lieblinge, oder? Warum soll das bei
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