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Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Titel: Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Rothmaier
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und ich wusste, was kommen würde. Schnell hatte ich sie Josefine abgenommen und schaffte es gerade eben zum Spülbecken, wo das Kind erbrach. Josefine kam mir nach und begann den Tisch abzuräumen und überflüssigerweise die Küche in Ordnung zu bringen.
    »Komm, lass, ich mach das schon.« Doch sie ließ sich nicht abhalten und sah mich an, das Geschirrtuch in der Hand, dann rutschte ihr Blick ab und sie tupfte mit dem Finger ein paar Krümel auf.
    »Soll ich sie umziehen?«, fragte sie hastig.
    »Klar.« Ich gab ihr das Kind und setzte mich wieder auf den Balkon.
    Das schwarze Haar auf Lios Kopf war zu einem Hahnenkamm gebürstet, sie roch nach Babycreme und ein wenig nach Josefines Parfum, als ich sie zurückbekam.
    »Na dann«, Josefine knotete die Hände, »ich geh mal.«
    »Kommst du wieder?«, fragte ich, und sie sagte, sie wisse es nicht. Sie wisse grad gar nichts.
    Trotz der Sommerhitze war es kühl geworden, und ich wünschte mir, sie ginge schnell, doch sie blieb still sitzen und sah zu, wie Lio ihre Flasche trank. Als wir fertig waren, holte ich das Schultertuch und reichte es ihr. Sie sah mich verwundert an, nahm zögernd das Tuch und schlüpfte in ihre Sandalen.
    »Ja«, sagte sie. »Dann geh ich mal.«
    »Ja«, sagte ich. »Machs gut.«
    Löchrig, hohl und haltlos. Die Wohnung war wie mein Inneres sehr groß, schlampig und unbewohnt, nachdem sie weg war. Kaum eine Stunde war sie da gewesen, kaum eine Stunde, in der ich mich an ihre Gegenwart gewöhnt hatte. Ich fühlte mich korrumpiert und ging planlos auf und ab, als es wieder klingelte. In der Hoffnung, sie käme unter einem Vorwand zurück, öffnete ich, doch es war Paul, der mir im Auftrag von Alice die Zeitung brachte. Ich ließ ihn stehen und rannte ans Fenster, um Josefine nachzuschauen. Klingelnd fuhr die Tram unten durch, es schrillte in meinen Ohren, auch minutenlanges Spähen ließ mich nur die üblichen Bürogestalten sehen, Pink Cloud nicht, den Tanzbären nicht, vor allem nicht die Frau im weißen Kleid.
    Paul stand noch immer unter der Tür und wartete. Ich fragte, ob er nicht hereinkommen wolle, er streifte sich routiniert die Turnschuhe ab und betrat in bräunlich angelaufenen Tennissocken die Wohnung.
    »Willst was trinken?« Paul nickte, ich ließ Wasser in ein frisches Glas laufen und gab es ihm. Er setzte sich auf einen Küchenstuhl und fragte, ob er rauchen dürfe. Ich stellte ihm den Aschenbecher hin, und er sah sich paffend um. Die Karikaturen an den Wänden, der Dreck auf dem Fliesenboden, der Geschirrstapel im Abwaschbecken, die vertrockneten Kräuter auf der Fensterbank beachtete er nicht, ihn schien nur der Stapel mit Comics auf einem der Stühle zu interessieren.
    »Hier, lies den.« Ich zog ein Métal Hurlant heraus und gab es ihm. Behutsam, als handelte es sich um einen antiken Folianten, schlug er es auf.
    Ich blätterte in der Zeitung, legte sie wieder weg, als Lio aufwachte und zu motzen begann; ich zerdrückte ihr eine Banane. Als sie satt war, war auch Paul mit dem Comic fertig und wollte mit dem nächsten beginnen, doch ich sagte: »Komm mit.« Ich zeigte ihm meine Sachen, er versenkte sich in die Zeichnungen und fragte dann und wann nach technischen Einzelheiten, welche Stiftdicke, wie und wann die Kadrierung gemacht, Wahl der Perspektive und Schabtechnik, in der ich mich versucht hatte. Er sah sich alles an, blätterte, verglich, dann fragte er, ob er das Métal Hurlant und ein paar andere Hefte ausleihen dürfe.
    »Klar, aber weißt du was, ich muss kurz weg, kannst du hierbleiben und nach Lio sehen?«
    Er war einverstanden und setzte sich wieder in die Küche.
    Ich rannte hinunter, sprang aufs Fahrrad und fuhr zu der Pension, in der Josefine abgestiegen war. Der Sommerwind blies mir unters Hemd und in die Haare. Ich fuhr so schnell ich konnte. Was würde ich sagen, was tun? Ich dachte nichts, fuhr schneller und schneller, und alle Ampeln grün. Leichtes Rauschen in den Ohren, der Fahrtwind, mein Blut, ein Rufen jetzt. Konrad. Ich wandte mich um, erkannte aber niemanden und trat umso fester in die Pedale. Es musste etwas Entscheidendes sein, etwas, das ihr zeigte, wie viel sie mir bedeutete, wie sehr sie mir gefiel, wie gut es war, mit ihr zusammen zu sein. Ihr das sagen. Dieses Gefühl von Alltag, von Zugehörigkeit, von schwerelosem Einverständnis, das so viel sagte und nicht in Worte gekleidet werden konnte.
    Der Portier rief in ihrem Zimmer an, doch sie war nicht da. Oder meldete sich nicht. So wollte ich

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