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Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Titel: Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Rothmaier
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ihr eine Nachricht lassen, doch als ich vor dem weißen Zettel saß, wusste ich nicht, was schreiben. Es konnte nicht gesagt werden, geschrieben schon gar nicht. Ich musste es tun. Ich zerknüllte das Papier und trat hinaus in die Sonne, die genauso schien wie vorher. Der Himmel, blauer noch, und der Großstadtlärm hart und stechend in den Ohren. Es roch nach Abgasen und Ozon und süß nach dem Flieder, der jetzt blühte.
    Als ich zurückkam, fragte ich Paul, ob er Lust hätte, ein paar Zeichenstunden bei mir zu nehmen. Er hatte Lio aus dem Korbwagen gehoben und trug sie herum. Eine Hand hielt den Kopf, die andere stützte das Gesäß. Im Gehen ruckelte er sie ein wenig, und dazu brummte er ein Lied mehr, als dass er es sang. Die halb volle Flasche stand im Schoppenwärmer, dessen Licht jetzt erlosch. Er tropfte ein wenig Milch auf den Puls, prüfend, ob sie nicht zu heiß sei, legte Lio eine Stoffwindel um den Hals und gab ihr, die bereits danach schnappte, den Sauger. Als sie trank, lehnte er sich zurück und sah mich an.
    »Aber du hast doch gar nichts von mir gesehen.«
    »Du verstehst was davon, du willst es tun, das sehe ich, und das reicht mir«, sagte ich. Er lächelte und sagte, »ja«, dann zuckte er mit der Schulter und sagte, »nein, lieber doch nicht«.
    »Überlegs dir«, sagte ich, » oder ist es wegen der Bezahlung? Hast du kein Geld für Zeichenstunden?«
    Er sah stumm vor sich hin.
    »Mach dir darüber keine Gedanken, wir können ja einen Deal machen. Ich gebe dir Stunden, und du kommst ab und zu Lio hüten, wenn ich Termine hab oder ausgehen will, was meinst du?« Er sah mich immer noch zweifelnd an, doch in seinen Augen leuchtete etwas. Lios Flasche war leer, und die Saugbewegungen machten ein hohl klingendes Quietschen. Paul hob das Kind wieder an die Schulter und ließ es aufstoßen. Und für ein Mal behielt sie die Milch bei sich.
    »Kennst dich aus mit kleinen Kindern, das sehe ich.«
    Er musste lächeln.
    »Also. Abgemacht?« Ich hielt ihm die Hand hin, und er willigte ein.
    Das Telefon klingelte. Max fragte mit anzüglichem Unterton, wie sie mir gefallen habe und ob ich mir vorstellen könnte, dass …
    Ich schwieg, doch er hörte nicht auf, von Josefine zu schwärmen, dass wir doch vieles gemeinsam hätten, klar, sei sie ein paar Jahre älter, aber was mache das schon, will auch Kinder, das wisse er von Regula. Als ich beharrlich schwieg, fragte er, ob ich viel zu tun habe zurzeit, er sei in ein Projekt verwickelt, für das noch ein Layouter gesucht würde, nichts Anspruchsvolles, aber gut bezahlt, und es würde mich nicht sehr beanspruchen, das Vierteljahresmagazin des Museums, gutes Geld, regelmäßig, das sei doch was. Ich sagte zu. Er fragte noch, ob ich nachher in den Park käme, und wieder sagte ich zu. Paul, Max, der Auftrag, der leuchtend blaue Sommertag, Josefine. Und auf einmal wusste ich, dass es nicht wichtig war, was, sondern dass ich ihr überhaupt etwas hätte schreiben sollen. Sie hätte es verstanden. Sie hätte gewusst, was ich meine. Ich rief im Hotel an und verlangte ihr Zimmer. Sie war noch nicht zurück, und ich hinterließ einen Gruß und meine Telefonnummer.

20
    Dauerwaldbrände, Hitzetote in den Altersheimen, braune Wiesen, vertrocknete Bäume, geschmolzener Asphalt. Und kochendes, pulsierendes Leben bis spät in die Nacht. Alles lebte, schwitzte, badete, spritzte, atmete, dampfte und liebte sich.
    Die Sonne brannte vom Himmel, in der Wohnung fiel die Temperatur auch nachts nicht mehr unter dreißig Grad. Lio wimmerte, ihre schwarzen Haare klebten am Kopf, sie bewegte sich noch weniger als sonst und öffnete, wenn ich sie ansprach, die Augen langsam und nur einen Spaltbreit. Ich flößte ihr abgekühlten Tee ein, den sie mit dem üblichen Schleim erbrach, danach schnappte sie nach Luft und atmete schnell und flach. Die Hitze. Ich schob alles auf die Hitze und zog ihr die Kleider aus. Dann ließ ich ihr ein Bad ein, in das ich langsam kaltes Wasser nachlaufen ließ, um sie zu erfrischen. Immer noch hatte ich wenig Ahnung von Säuglingspflege, tat einfach das, was ich mir für mich selbst angenehm und richtig vorstellte. Tatsächlich wich die Röte allmählich aus ihrem Gesicht, und sie begann sich zögerlich zu bewegen. Mit schmatzendem Geräusch sog sie am Waschlappen. Nur mit der Windel bekleidet, legte ich sie auf eine Decke am Boden, wo ich sie im Auge behalten konnte, während ich zeichnete. Endlich schlief sie ein, und ich konnte loslegen. Eine Stunde,

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