Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber)

Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber)

Titel: Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Barknowitz
Vom Netzwerk:
bewußter. So manches Mal stellt sich Verwirrung ein, denn sie spürt, daß sie die alten Strukturen nicht mehr aufrechterhalten will, die neue Richtung ist aber noch nicht so recht greifbar für sie.
    Nach etwa zehnstündiger Grundlagenarbeit am unteren Raum, an der Haltung und besonders am Loslassen und Unterstützen des Ausatems, ist die Arbeit am Brustkorb möglich, ohne daß sie in Panik ausbricht.
    Bei ihr, wie bei vielen Asthmatikern, drückt sich im Atem die Angst aus, nicht genug zu bekommen. Es ist eine Frage des Vertrauens, das sich erst im Erleben allmählich entwickeln kann, den Ausatem ohne Druck herauszugeben und dann zu wissen, der neue Einatem kommt bestimmt.
    Wir sprechen viel über den Tod ihrer Eltern, das Weiterleben der Seele nach dem Tod, die Bedeutung dieses einschneidenden Erlebnisses für sie.
    Besonders bei der Arbeit am Rücken tauchen viele Erinnerungen, viel Traurigkeit und Verlassenheit auf. In dem Maße, wie der Rücken weicher und zugänglicher wird, nimmt auch der Hustenreiz ab, bis er schließlich ganz aufhört.
    Die Erfahrungen ihres Atems gehen immer mehr in die Tiefe. Besonders einschlägig wirkt das „E“, sie spürt dabei, wie die Ausatem-Bewegung aus den Seiten ausströmen kann, und wird langsam vertraut damit, daß der Ausatem trägt, daß sie sich ihm anvertrauen kann. Im Alltag braucht sie mehr Ruhe, die vielen oberflächlichen Kontakte beschränken sich jetzt auf wenige, aber wichtige Verbindungen zu Menschen.
    Schließlich können wir mit der Entfaltung nach oben beginnen. Kopf und Hals treten immer mehr in Erscheinung. Fülle und Leichtigkeit, Substanz und Gelassenheit können sich immer häufiger im Atem verwurzeln. Mit der wachsenden Übernahme von Verantwortung für sich und ihr Leben bröckeln die Mauern ihrer Abwehr ab. Sie hat nur noch Atembeschwerden bei grippalen Infekten.
    Als sie ihr erstes Kind erwartet, wächst sie noch viel mehr in ihren Körper hinein.
    Diese Erfahrung hat sich für mich auch in anderen Fällen immer wieder bestätigt: Eine werdende Mutter nimmt viel mehr Besitz von ihrem Körper und entwickelt eine höhere Empfindsamkeit als sonst.
    Während der Schwangerschaft tritt das Asthma dann völlig zurück und ist auch nach der Geburt nicht wieder aufgetreten.
    9.
    Ein Kursteilnehmer legte nach Beendigung eines Kurses vor seiner Abreise folgendes Gedicht vor die Tür:
    „Atem“
Es liegt in der Luft
fein wie der Blumen Duft;
läßt du es in dich hinein,
ist es der Atem dein.
    Gabe aus des Schöpfers Hand,
die den Weg in dein Inneres fand,
ewiger Quell und liebende Kraft,
die Leben erhält und neues schafft.
    Dankbares Nehmen und freudiges Geben
sind die Bausteine für ein ewiges Leben;
wenn der Körper den Atem erhält,
gib ihn dankbar zurück an die Welt.
    Wenn der Lebensstrom die Lunge füllt,
wird auch die Seele davon ganz eingehüllt.
Atme bewußt und in ruhiger Weise,
du wirst alt und doch nicht so bald zum Greise.
    Findest du zum Ursprung des Atmens zurück,
blüht dir Gesundheit, vielleicht auch noch Glück.
Sei aber stets dem Umstand gedenk,
die Luft, der Atem, sie sind ein Geschenk.
    10.
    Abschließend möchte ich noch einmal ein Erlebnis aus meiner Praxis wählen, um mein innerstes Anliegen darin zum Ausdruck zu bringen. Ich habe einen jungen Schüler. Er ist Sänger, Tenor, am Theater angestellt. Ich bin überzeugt, daß er eine große stimmliche Begabung hat. Zu seinem Leidwesen stottert er und kann deshalb nur reine Singrollen annehmen. Sobald er auch sprechen soll, in Opern zum Beispiel, muß er die Rolle ablehnen. Die ganze Situation setzt ihn ziemlich unter Druck.
    Eines Tages schlägt er mir vor, ihm bei einem Konzert, in dem er Solo singt, zuzuhören und anschließend meine Meinung zu hören. Ich bin gespannt und konzentriere mich ganz und gar auf ihn. Die Art und Weise, wie er singt, taucht in einem Bild vor mir auf. Die Stimme erscheint wie eine schmale Röhre – und könnte sich doch weit nach oben öffnen. Ich weiß sogar, daß er dazu in der Lage wäre. Anschließend ist er selbst ganz enttäuscht: „Ich war nicht frei. Es klappt sonst besser.“
    Ich antworte ihm spontan: „Ja, Sie waren nicht frei. Diese Freiheit wird sich erst einstellen, wenn Sie sich nach oben öffnen – und zur Ehre Gottes singen.“
    „Ja“, sagt er still. „Das weiß ich, ich habe es erlebt. Und wenn das so ist, empfinde ich die Stimme und den Atem wie ein Geschenk, das von oben kommt.“

Atemübungen zur praktischen Anwendung
    In diesem

Weitere Kostenlose Bücher